: Den schwarz-grünen Löwen reiten
Seit einem Jahr regieren CDU und Grüne die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken – gegen den wegen Korruption verurteilten SPD-Oberbürgermeister Hajo Hoffmann. Die CDU verändert sich dabei, die Grünen stimmen gern mal mit der SPD
aus Saarbrücken KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Vor genau einem Jahr fiel die 25 Jahre lang von der SPD gehaltene rote Festung Saarbrücken an die Union. Ausgerechnet die Grünen im Rathaus der Landeshauptstadt spielten die Steigbügelhalter für die Schwarzen: Sie hielten eine Neuauflage der rot-grünen Koalition für „unappetitlich“ – Saarbrückens Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD) stand schon damals unter Korruptionsverdacht. Die Union war indessen bereit, grüne Programmatik in den Koalitionsvertrag zu übernehmen.
Jetzt reiten die Grünen also den schwarz-grün gestreiften Saarbrücker Löwen. Bereut hätten sie es bisher nicht, sagt Kajo Breuer (54), grüner Bürgermeister und Dezernent für Umwelt, Gesundheit und Recht. Das erste Jahr sei „erstaunlich gut verlaufen“. Es sei gelungen, trotz prekärer Finanzlage alle sozialen und kulturellen Projekte abzusichern. Selbst bei der Verkehrsberuhigung ziehe die Union voll mit, lobt Breuer. So sollen demnächst die City und die reinen Wohngebiete in Saarbrücken vom Durchgangsverkehr befreit werden – ein grünes Projekt.
Als „Projekt mit oberster Priorität“ bezeichnet der CDU-Stadtratsfraktionsvorsitzende Martin Karren die Verkehrsberuhigung. In der Vergangenheit hat Karrens CDU im Saarland auf „freie Fahrt für freie Bürger“ gesetzt. Die CDU scheint sich in der Koalition mit den Grünen zu verändern. Die schwarze Stadtratsfraktion präsentiert plötzlich Anträge zur „aktiven Gewaltprävention“ an sozialen Brennpunkten; 100.000 Euro zusätzlich sollen in die Jugendarbeit fließen.
Das Koalitionsleben in Saarbrücken könnte so schön sein – wäre da nicht der sozialdemokratische Oberbürgermeister Hajo Hoffmann. Er wurde erst im Frühjahr 2001 von den Saarbrückern direkt gewählt. Seitdem befindet er sich nicht nur mit seinen schwarz-grünen Dezernenten in permanenter Auseinandersetzung, sondern auch mit den Gerichten. Der OB wurde im Frühjahr wegen Korruption zu einer Geldstrafe von 25.000 Euro verurteilt, weigert sich aber dennoch, seinen Posten zu räumen. Längst verlangt auch eine Mehrheit der SPD-Anhänger in Saarbrücken (57 Prozent nach einer Umfrage von Infratest dimap) seinen Rücktritt. Von den Bürgern der Landeshauptstadt wollen ihn gar 71 Prozent nicht mehr im Rathaus sehen. Hoffmann vermasselt inzwischen auch dem SPD-Landesvorsitzenden Heiko Maas die Tour. Der gern als letzter Hoffnungsträger der saarländischen SPD apostrophierte Maas verliert im direkten Vergleich mit Ministerpräsident Peter Müller (CDU) dramatisch an Boden. Nur noch 22 Prozent der Saarländer würden bei einer Direktwahl des Landesvaters für Maas votieren; 59 Prozent für Müller.
Das könnte die scharz-grünen Koalitionäre in Saarbrücken eigentlich freuen. Der Grüne Breuer sieht durch Hoffmann aber das Image gefährdet: „Der Ruf von Saarbrücken steht auf dem Spiel.“ Der grüne Abwahlantrag gegen Hoffmann wurde vor der Sommerpause von der SPD verhindert. CDU und Grüne müssen weiter mit Hoffmann leben – und mit einer sozialdemokratisch eingefärbten Verwaltung.
Dennoch ist Schwarz-Grün entschlossen, den Koalitionsvertrag abzuarbeiten. Die erste große Krise haben die ungleichen Partner bereits überwunden. Die Grünen waren für den Bau eines islamischen Kulturzentrums mit Moschee in der Stadt, die Christdemokraten strikt dagegen. Weil darüber nichts im Koalitionsvertrag stand, stimmten die Grünen kurzerhand mit der SPD für das Kulturzentrum. Die CDU schluckte das. Und die Grünen machten bei ihrer immer noch koalitionsskeptischen Klientel in der Universitätsstadt Punkte gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen