: Der Mali-Relaunch
Salz, Gold und Kochtöpfe aus Cola-Dosen: Das Übersee-Museum hat seine Mali-Ausstellung ergänzt und überarbeitet
Das Kamel mit dem Tuareg ist immer noch da. Auch das Beduinen-Zelt, das Strohhütten-Gehöft und die galoppierende Gazelle. Aber ansonsten hat sich die Mali-Ausstellung des Übersee-Museums beachtlich verändert.
Peter Junge hat sich zwei Mal auf den Weg in das westafrikanische Land gemacht, um dieSammlung des Hauses zu ergänzen – damit aus dem bisherigen „Torso ein Ganzes“ wird, wie der Afrika-Experte sagt. Zum Beispiel in Gestalt einer Platte Steinsalz vom Markt in Mopti, anhand derer die 2.500 Jahre alte Geschichte des Handels mit Steinsalz gezeigt wird.
Mit einem Einkaufsetat von knapp 15.000 Euro konnte Junge in Mali, das zu den fünf ärmsten Ländern Afrikas gehört, einige Lücken der bisherigen Präsentation schließen, aber ihm ging es darüber hinaus um ein Komplett-Relaunch. So sind alle Texe erneuert worden. Junge: „Das hatte alles einen zu moralischen Gestus. Die Tuareg wurden zum Beispiel nur als Opfer dargestellt, dabei sind sie extrem hierarchisch organisiert.“ Außerdem sei die Ausstellung zu einseitig auf ökologische Themen zugeschnitten gewesen – eine „Zeitgeist-Ausstellung“ im Stil der Achtzigerjahre“, sagt Junge.
Jetzt also auch Geschichte. Nicht nur die des Handels mit Salz, sondern auch mit Gold. Mali war einer der wichtigsten Lieferanten für den weltweiten Goldbedarf – manchmal geradezu en passant: Als König Mansa Kankan Mussa während einer Pilgerreise nach Mekka Station in Kairo machte, brachte er offenbar eine so große Goldmenge in Umlauf, dass der ägyptische Edelmetallmarkt völlig zusammenbrach. So geschehen 1324. Heute erwirtschaftet Mali immerhin noch ein Drittel seiner Devisen durch den Export von Gold.
In der neuen Ausstellung schlägt sich das in Gestalt einer beeindruckenden Schmucksammlung nieder. Das Interessante daran: Sie kommt nicht als klassische Schätze-Präsentation daher, sondern zeigt die Weiterentwicklung des traditionellen Handwerks unter radikal veränderten ökonomischen Bedingungen – kiloschwerer Silberschmuck wurde im Zuge der Verarmung des Landes in Aluminium nachgearbeitet oder durch Kunststoffprodukte ersetzt. Die liegen also auch in den Vitirinen, genauso wie eine vertrocknete Akazienfrucht, die oft als Vorlage für Schmuckformen diente – für ganz arme Frauen auch als Schmuckersatz.
Junge will langfristige Entwicklungen zeigen. Also beschränkt sich seine Geschichtsaufarbeitung nicht auf die Sahel-Krise, sondern zeigt, dass der Niedergang der Region schon um 1500 einsetzte, als der Seehandel entlang der afrikanischen Westküste begann. Dadurch verlor der Transsahara-Handel stetig an Bedeutung.
Anderes Beispiel: Die fortschreitende Ausdehnung der Wüsten. Die gibt es nicht erst seit den katastrophalen Trockenperioden der 70er und 80er Jahre. Erste Ursache war die Überweidung als Folge der in der Kolonialzeit eingeführten Bargeld-Steuern. Die zwangen zu einer intensiverten Viehproduktion, um auf dem Markt Geld erlösen zu können.
All‘ so was kann man nun im Überseemuseum zu erfahren, auch das städtische Leben ist präsenter als zuvor. Junge hat Kochtöpfe aus zusammengeschweißten Cola-Dosen mitgebracht, Emaille-Schüsseln made in China (auf die einer malischer Geldschein gedruckt ist) und Plakate mit bildgewaltigen AIDS-Warnungen. Und die ganz moderne Lotteriewerbung, die freilich wieder auf traditionelle Symbole zurückgreift: Aus einer Kalebasse ergießen sich füllhorngleich Tigerschnecken.
Was sich nicht verändert hat: Die Ausstellung setzt weiterhin auf klassische Vermittlungsmethoden. Es gibt einen nachgebauten Marktstand, und ein Diorama zeigt den Markt von Mopti, malerisch an einer Bucht des Flusses Bani gelegen. Mittendrin kann man ein paar Touristen entdecken, darunter auch jemanden mit einer Tasche des Überseemuseums über der Schulter. Was sagt uns das? Nicht nur das heutige Mali ist im Überseemuseum angekommen, sondern auch das Übersee in Mali – zumindest in seinen eigenen Projektionen.
Henning Bleyl
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