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Verlorene Clementmüh

Der NRW-Regierungschef Wolfgang Clement (SPD) ist mit seinen Stützversuchen gescheitert

KÖLN taz ■ Da konnten auch der Macher nichts mehr machen. Umrahmt von dem Oberhausener Bürgermeister Burckhard Drescher, Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold und Arbeitsminister Harald Schartau musste der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) in Düsseldorf mitteilen, dass die Sanierung von Babcock-Borsig gescheitert ist. Es sei nicht möglich gewesen, bei allen Banken das notwendige Vertrauen für die Neuausrichtung und die vorhandene Führungsstruktur zu erlangen, begründete er das Scheitern der Gespräche.

Vier der sechs Hauptgläubigerbanken hatten sich nicht für das von der Landesregierung vorgelegte Sanierungskonzept gewinnen lassen. Das von der Unternehmensberatung Roland Berger entwickelte Konzept basierte auf einer Erhöhung des Eigenkapitals, auf Bürgschaften und neuen Krediten der Banken, um so die von Berger errechneten mindestens benötigten 750 Millionen Euro aufzubringen.

Die Anteilseigner WestLB, TUI (früher Preussag) und One-Equity Partners (OEP) aus den USA wollten zusammen 200 Millionen Euro Eigenkapital zuschießen. Die Arbeitnehmer, die für Juni noch keine Löhne und Gehälter bekommen haben, hatten schon in der vorigen Woche beschlossen, einen Beitrag zur Sicherung ihrer Jobs in Höhe von 50 Millionen Euro zu leisten. Das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund wollten mit Bürgschaften von insgesamt etwa 430 Millionen Euro einspringen. Unter dem Strich soll es nur noch um die Risikoübernahme für eine Summe von annähernd 70 Millionen Euro gegangen sein. Doch die Dresdner Bank, die Commerzbank, die BHF und die HypoVereinsbank weigerten sich, neue Kredite für Babcock-Borsig entsprechend ihrem bisherigen Engagement zur Verfügung zu stellen. Nur die WestLB und die Deutsche Bank hatten dem Rettungsplan zugestimmt. Das reichte nicht.

Um möglichst viel Handlungsspielraum bei der Umstrukturierung und Rettung möglichst vieler Konzernteile zu gewinnen, strebt die Landesregierung für Babcock-Borsig nun eine Insolvenz in Eigenverwaltung an. Diese Form des Insolvenzverfahrens wird von den Gerichten allerdings nur zugelassen, wenn gute Möglichkeiten einer Sanierung gegeben sind.

Auch bei der Kirch-Pleite wird diese Form des Insolvenzverfahrens praktiziert. Bei diesem Verfahren kann das Management – anders als im Regelverfahren – operativ stärker agieren. Trotzdem hat es nicht völlig freie Hand, sondern wird von dem Insolvenzverwalter kontrolliert, der vom Gericht eingesetzt wird. Da besonders die beteiligten Banken allerdings kein Vertrauen in den gegenwärtigen Babcock-Verantwortlichen mehr haben, kündigte Clement an, dass noch heute der Aufsichtsrat einen neuen Vorstandsvorsitzenden bestellen werde. Denn immerhin sei in den vergangenen Jahren durch die Babcock-Führung viel Vertrauen zerstört worden. Das Unternehmen habe „keine Struktur und keine Strategie“.

Der Zusammenbruch von Babcock kann gerade der regierenden NRW-SPD noch einiges Ungemach im Bundestagswahlkampf bereiten. Immerhin stehen nun in NRW 8.600 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Zudem erinnerte CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers am Wochenende auf einem Landesparteitag in Siegen an die engen Verbindungen der Genossen zu dem Oberhausener Konzern. So könnte die Verantwortung für die Pleite nicht allein beim ehemaligen Vorstandschef Lederer abgeladen werden. Verantwortung trage auch der Aufsichtsrat. „Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat einen Namen, der heißt Friedel Neuber.“ Der umstrittene Ex-WestLB-Chef und frühere SPD-Landtagsabgeordnete ist engstens verbunden mit den Spitzen der NRW-SPD und ein enger Freund von Johannes Rau. Außerdem hätten dem Aufsichtsrat viele Jahre auch der inzwischen verstorbene Finanzminister Heinz Schleußer sowie der heutige SPD-Chef Harald Schartau angehört. „Die hätten das alles sehen, alles wissen müssen“, so Rüttgers. „Dafür sind Aufsichtsräte da.“ PASCAL BEUCKER

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