: „Die Hauptsache ist, wieder zu spielen“
Seit zwei Jahren lebt der Fußballtorwart Carsten Wehlmann mit der Hoffnung, mal wieder arbeiten zu dürfen. Bezahlt wird er dafür, auf der Reservebank zu hocken. Wenn er dort überhaupt Platz nehmen darf
Interview: TORSTEN HOPPE
taz hamburg: In gut vier Wochen beginnt die neue Bundesliga-Saison. Der HSV empfängt zum Auftakt Hannover 96. Für Carsten Wehlmann ein Heim- oder ein Auswärtsspiel?
Carsten Wehlmann: (lacht) Schwer zu sagen. Ich hoffe immer noch, dass es für mich ein Auswärtsspiel in Diensten von Hannover 96 wird. Als Hamburger Junge ist es aber vom Gefühl her trotzdem irgendwie ein Heimspiel.
Warum lieber 96 als HSV?
Die Perspektive in Hannover wäre deutlich besser als beim Hamburger SV.
Erste Wahl wären sie aber auch in Hannover nicht. Ist es da nicht egal, wo man sich als Reservekeeper auf die Bank setzt?
Bei 96 wäre ich wohl zweiter Torwart hinter Ralf Sievers, der bald 37 wird. Über lange Sicht hätte ich dort eher die Chance, zu spielen.
Während beim HSV die Situation aussichtslos ist...
Genau, in Hamburg wüsste ich nicht mal, ob ich überhaupt auf der Bank sitzen würde.
Sie sind mittlerweile 30. Die vergangenen beiden Jahre verliefen alles andere als rosig für Sie. Was hat der Torwart Wehlmann noch für Ziele?
In der 1.Bundesliga im Tor zu stehen, ist immer noch mein Traum. Die Hauptsache ist aber, überhaupt wieder spielen zu dürfen.
Der Wechsel nach Hannover scheitert weder an ihren finanziellen Forderungen noch an denen des HSV...
Ich wäre mit Hannover einig, da gäbe es keine Probleme. Aber 96 hat bekanntlich auch Interesse an Unterhachings Torwart Gerhard Tremmel. Auch da laufen noch Verhandlungen. Die Sache ist immer noch unklar. Bei diesem ständigen Hin und Her sind mir die Hände gebunden, ich kann einfach nur abwarten.
...und bis auf weiteres wieder in Hamburg unter Kurt Jara trainieren. Macht das Training unter diesen Umständen denn noch Spaß?
Ich habe noch ein Jahr Vertrag beim HSV, dementsprechend gehe ich meinem Job in Hamburg nach. Ich gebe immer alles. Natürlich ist es nicht gerade schön, wenn man lieber bei einem anderen Klub geblieben wäre. Aber so ist Profi-Fußball, das akzeptiere ich. Außerdem bin ich froh, überhaupt einen Vertrag zu haben. Andere stehen vertragslos auf der Straße.
Können Sie sich denn noch mit dem Verein HSV identifizieren?
Sicher, der HSV ist mein Arbeitgeber und ich habe kein Problem mit den Leuten dort. Wenn man wie ich aus Hamburg stammt, ist es doch eine tolle Sache, bei diesem Traditionsklub unter Vertrag zu stehen.
Ihre Wechselabsichten sind offensichtlich kein Geheimnis, wie fühlt man sich da unter den Mannschaftskollegen beim HSV?
Mein Verhältnis zu Spielern und Trainern ist völlig in Ordnung. Ich trainiere ganz normal mit der Mannschaft und wurde aufgenommen, als wäre ich nie weg gewesen. Es ist nicht so, dass ich abgeschottet meine Ext-rarunden drehen muss.
Können Sie sich eigentlich noch erinnern, wie es ist, Stammkeeper zu sein?
Klar, die Saison 1999/2000 beim FC St. Pauli war meine schönste. Ich habe gespielt, wir sind am letzten Spieltag dem Abstieg entronnen. Emotional habe ich dort am meisten erlebt. St.Pauli ist deshalb immer noch mein Lieblingsverein.
Trotzdem sind Sie damals zum Erzfeind HSV gewechselt. Mit St. Pauli hätten sie ein Jahr später auch in der ersten Liga gespielt – als Stammtorwart...
Tja, im Fußball gibt es kein hätte, wenn und aber, das Geschäft ist sehr schnelllebig. Ich hätte mich auch bei Pauli schwer verletzen können.
Könnten sie sich nach zwei Jahren Reservistendasein in der 1. Liga auch vorstellen, noch mal in die 2. Liga zu wechseln, trotz finanzieller Einbußen?
Wenn die Perspektive stimmt und der Verein ein gutes Konzept bietet, wäre das auf jeden Fall interessant. Bevor ich in der ersten Liga perspektivlos auf der Bank sitze, würde ich lieber in der 2. Liga im Tor stehen.
Vielleicht bei ihrem Lieblingsverein St. Pauli?
Ich habe immer gesagt, dass St. Pauli ein toller Verein mit vielen Reizen ist. Momentan sind dort aber zwei Keeper unter Vertrag, so dass es keine Gespräche über einen Wechsel gab. Der Kontakt zum Trainer und einigen Spielern ist aber nach wie vor da.
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