: Schwerer Kirchgang
Eisige Stimmung auf der Hauptversammlung der ProSiebenSat1 Media AG. Kleinaktionäre fühlen sich als Spielball der Banken und Kirch-Gläubiger
aus München OLIVER HINZ
Nur fünf Sekunden lang klatschten die Aktionäre der ProSiebenSat.1 Media AG nach dem Bericht ihres Vorstandsvorsitzenden Urs Rohner. Der nüchterne Schweizer bekannte nämlich gestern bei der Hauptversammlung in München: „Das Geschäftsjahr 2002 wird zweifellos hart, schwieriger noch als die hinter uns liegenden zwölf Monate.“ Im ersten Halbjahr schrumpfte der Umsatz der Fernsehgruppe (Pro 7, Sat.1, Kabel 1, N 24) nach vorläufigen Berechnungen um vier Prozent. Sat.1 und der Nachrichtenkanal N24 rutschen weiter tief in die roten Zahlen.
Doch bei der gut einstündigen Aussprache der Aktionäre löste etwas anderes den größen Knatsch aus: die Umbesetzung des Aufsichtsrats. Am 21. Juni schieden die vier Spitzenmanager des insolventen Mehrheitsaktionärs KirchMedia, Dieter Hahn, Thomas Kirch, Jan Moito und Klaus Piette aus dem neunköpfigen Kontrollgremium aus. An ihrer Stelle sitzen nun das Vorstandsmitglied der Commerzbank, Wolfgang Hartmann, die beiden neuen KirchMedia-Geschäftsführer Wolfgang van Betteray und Fred Kogel sowie der Prokurist der KirchMedia Beteiligungsverwaltungsgesellschaft, Norbert Deigner.
Eine Aktionärin schimpfte: „So werden wir zum Spielball der Gläubiger von Kirch.“ Auch der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, Klaus Schneider, meinte: „Das ist auf das Schärfste zu verurteilen. Es dient nur den Interessen der Gläubiger der KirchMedia und in keinster Weise den Kleinaktionären.“ Doch zu entscheiden haben die kleinen Aktionäre bei ProSiebenSat.1 mit ihren Vorzugsaktien ohnehin nichts. Nur die Stammaktionäre –KirchMedia und der Axel-Springer-Verlag – dürfen abstimmen.
Und die Pleitefirma KirchMedia fürchtet sich weiter vor dem Stimmrecht der Kleinaktionäre. Offenbar um ihre Anteile an ProSiebenSat.1 besser verkaufen zu können, stoppte sie noch im Mai die geplante Gleichstellung aller Aktionäre der Senderfamilie.
Rohner erklärte gestern allerdings ungerührt, es gäbe viel Interesse an Kirchs Aktienpaket. Falls ein neuer Investor frühestens Ende Juli gefunden werde, treffe der Kirch-Gläubiger-Ausschuss erste Entscheidungen.
Zu den Interessenten gehört nun auch die Mailänder Firma Mediaset des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Doch Rohner wischte Einwände gegen den Politunternehmer mit dem Argument zurück, es sei „eines der erfolgreichsten Fernsehunternehmen, das es auf der Welt gibt“. Mitbieten um das Kirch-Aktienpaket an ProSiebenSat.1 wollen auch der Springer Verlag, der bisher mit 11,5 Prozent beteiligt ist, und ein Konsortium aus Commerzbank und dem US-Studio Columbia Tristar.
Nicht nur die Kleinaktionäre, auch die Angestellten der ProSiebenSat.1 Media AG müssen nun wohl die Suppe auslöffeln, die ihnen der Kirch-Konzern eingebrockt hat: Die Mitarbeiterzahl des Fernsehkonzerns sank 2001 um fünf Prozent auf 3.000. Die Senderfamilie habe „sämtliche bislang unbesetzten Stellen“ gestrichen, sagte Rohner, jede Neu- und Wiederbesetzung müsse der Vorstand genehmigen. Immerhin in einem bleibt das Unternehmen seiner Zielgruppe treu: Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter liegt bei 33 Jahren.
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