die kirch-krise
: Fußballklubs sind auf Fernsehgelder angewiesen

Lohnverzicht als Chance

Von Kirch oder gar Krise hatte der Fußballfacharbeiter Niko Kovac bis Donnerstag ganz offenbar noch nichts zu Ohren bekommen. „Kirch? Was will der Staat finanzieren?“, beantwortete der Nobelkicker entsprechende Anfragen per Gegenfrage, um schließlich ganz unverblümt zu bekennen: „Das sagt mir nix.“ Als eher unwahrscheinlich darf deshalb gelten, dass sich Herr Kovac bereits prinzipielle Sorgen um seine Zukunft macht. Warum auch, er ist ja schließlich beim ruhm- und auch sonst sehr reichen FC Bayern München angestellt?

So oder ähnlich gut wie der Mann aus Kroatien haben es hierzulande freilich nicht viele Profikicker; genau genommen nur doch die aus Leverkusen und Dortmund, mit Abstrichen darf man vielleicht noch Schalke dazuzählen. Für den großen Rest ist die Teilnahme an Liga eins und zwei mehr oder weniger ein fortwährender Überlebenskampf, für manche gar eher eine permanente Krise. Jedenfalls könnte das Licht bei manchem dieser Klubs in der Tat ganz schnell ausgehen, sollte Kirch Insolvenz anmelden und den Vereinen plötzlich die Fernsehgelder abhanden kommen. Im Schnitt jeweils 6 Millionen Euro pro Jahr erhalten die Vereine aus Liga zwei aus dem Fernsehvertrag mit Kirch, mindestens 15 Millionen die aus Liga eins.

Das Geld ist nicht nur fest verankert in den Etats der Klubs, sondern in den meisten Fällen deren existenzieller Bestandteil. „Die Etats hängen mit weit über 50 Prozent von den TV-Geldern ab“, gibt Harald Strutz, Präsident des aufstiegsambitionierten Zweitligisten FSV Mainz 05 zu. „Unser Etat ist zu 45 Prozent mit TV-Geldern abgedeckt“, bestätigt auch Stefan Schippers, Geschäftsführer von Bundesligist Borussia Mönchengladbach. Da darf es nicht verwundern, dass es vor allem diese Klubs sind, die einer diskutierten Bürgschaft von 200 Millionen Euro für die nächsten beiden Fernsehgeldraten durch den Bund positiv gegenüberstehen, sollte Kirch endgültig nicht mehr in der Lage sein, den Fernsehvertrag zu erfüllen. Für sie ist der Fluss der TV-Gelder überlebensnotwendig. Für sie wäre die Bürgschaft fast schon mehr als nur „eine vorübergehende Liquiditätshilfe“, wie der mit dem Plan befasste Wirtschafts-Staatssekretär Alfred Tacke sagt. Für sie wäre die Bürgschaft eine zumindest vorübergehende (Über-)Lebensversicherung.

„Sollte es zur Insolvenz kommen, dann dauert es ein paar Monate, bis wir einen neuen Fernsehpartner gefunden haben. In diesen Monaten könnte eine Brückenfinanzierung für viele Clubs hilfreich sein“, sagt völlig folgerichtig, zumindest aus Sicht der Vereine, Wolfgang Holzhäuser, der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Prophylaktisch weist Andreas Rettig, neuer Manager des 1. FC Köln, schon einmal darauf hin, dass auch für diesen Fall „durch Steuergelder keine Spielergehälter finanziert“ würden, sondern die Bürgschaften lediglich „eine Sicherheit für Kredite“ darstellten. Der Mainzer Strutz plädiert zudem dafür, dass die durch die Kirch-Krise heraufbeschworene Situation im laufenden Lizenzierungsverfahren der Deutschen Fußball Liga berücksichtigt werden müsste.

Derweil will Gerd Niebaum, Präsident von Borussia Dortmund, nicht daran glauben, dass die Liga allzu lange ohne TV-Partner dastehen könnte. Sein Argument: Kein Fernsehsender komme ohne Fußball aus. Sein Fazit: „Die Zukunft der Bundesliga ist gesichert.“ Bayern-Kollege Uli Hoeneß weiß sogar schon, wer die Liga retten soll: Die „reichlich gefüllten Töpfe der öffentlich-rechtlichen Anstalten“ nämlich.

„Wir hätten die Bundesliga gerne“, räumt prompt der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen ein, allerdings müsse es dann „schon Geld vom Himmel regnen“. Auch bei Bertelsmann, das über RTL im Fußballgeschäft mitmischt, winkt man bisher ab, mit der Champions League fahre man schon genug Minus ein. Das bisherige System funktioniere nicht mehr, heißt es deshalb aus der Bertelsmann-Zentrale. Präziser: „In ganz Europa müssen sich die Vereine daran gewöhnen, ihren mittelmäßigen Spielern weniger zu bezahlen.“

Eine durchaus nachvollziehbare Botschaft, die im deutschen Fußball bisher allerdings nur vereinzelt anzukommen scheint. Zum Beispiel bei Klaus Augenthaler, dem Trainer des 1. FC Nürnberg: „Der Durchschnitt verdient zu viel“, findet „Auge“ und fordert ein Umdenken der Vereine bei den Spielergehältern. Allerdings dürfte auch dieses durchaus logische Mittel eine Weile dauern, ehe sich Erfolg einstellt, wie Klaus Allofs, Sportdirektor von Werder Bremen, anfügt. „Wir können ja gerne einen freiwilligen Gehaltsverzicht bei den Spielern einfordern. Ob wir den aber auch bekommen, ist die andere Sache“, sagt Allofs. Und: „Rein arbeitsrechtlich können wir kaum an die bestehenden Verträge ran.“ FRANK KETTERER