: Heilen wie im Rausch
Vergessene Meister: Dr. Max Bruch – Erfinder der Bruchblütentherapie
Die meisten Musikliebhaber kennen Max Bruch als den Schöpfer unvergänglicher Chorwerke, betörender Streichquartette und einer Oper, deren Sinn nie wirklich zur Gänze entschlüsselt wurde. Dass er neben seiner Komponistentätigkeit aber auch über zahlreiche andere Talente verfügte, dass Max Bruch zum Beispiel ein begnadeter Feinbäcker war, dessen „Waffelbruch“ weit über die Grenzen seines engeren Wirkungskreises hinaus Berühmtheit erlangte, dürfte heute nur noch einer Handvoll historisch bewanderter Konditorologen bekannt sein.
Fast völlig in Vergessenheit geraten ist, dass Bruchs besondere Leidenschaft der Heilkunst galt. Als erster Reinkarnationsanalytiker Kölns, Reiki-Meister und Ehrenvorstand des Dachverbands Geistiges Heilen machte er sich zu einer Zeit einen Namen, als die meisten Zeitgenossen Karma noch für einen Brotaufstrich hielten.
Max Bruchs schwärmerische, spätromantische Naturbegeisterung, die sich auch in der ungewöhnlichen melodischen Begabung dieses Komponisten zeigt, führte ihn immer öfter hinaus aus seiner muffigen Komponistenklause. Jede Minute seiner karg bemessenen Freizeit streifte Bruch durch die Wälder, durch die Auen, um Mutter Natur auf die Finger zu schauen. Jede leidende Kreatur erweckte in ihm ein außerordentlich starkes Mitgefühl und den unbedingten Wunsch zu helfen. Oft träumte er während des Klavierspiels von einer Heilmethode, die einfach, naturbelassen und wirkungsvoll zugleich sein sollte.
Mit dem absoluten Gehör des Ausnahmemusikers ausgestattet, konnte es Bruch nicht ertragen, wenn Ensemblemitglieder schlampig oder gar falsch intonierten. Er sann auf Abhilfe. Er wusste um die heilkräftige Wirkung von Blumen und begann, auf seinen ausgedehnten Wanderungen Blüten zu sammeln. Zu Hause destillierte er daraus seine legendären Blütenessenzen, die den Ruf der Bruchblütentherapie begründen sollten: Kriech-Günsel, Kahles Bruchkraut oder Grüner Knäuel.
Schon bald konnte er ihre Wirkung in der Praxis erproben: Als sein erster Trompeter im zweiten Satz seines Konzerts Nr. 3 für Violoncello und Orchester gleich mehrmals den Ton nicht traf, verabreichte er ihm in der Pause eine doppelte Dosis Trompetenkrauttropfen. Danach spielte der Blechbläser tadellos bis zum Ende der Vorstellung. Von diesem ersten Erfolg beflügelt, weitete Bruch seine Therapie aus und widmete einen immer größeren Teil seiner Zeit der Erforschung blütengestützter Heilmethoden.
Die Wirksamkeit der Bruchblütentherapie sprach sich schnell herum. Bruch avancierte zum viel gefragten Blütenheiler, der jedoch, ganz undogmatisch, auch zu konventionellen Behandlungstechniken griff, wenn die Situation es erforderte. So geschehen am 13. März 1894 in Sankt Petersburg: Max Bruch spielte sich während eines Konzerts in einen solchen Rausch, dass er vom Klavierschemel fiel und sich eine Leistenzerrung zuzog. Zu allem Unglück hatte er ausgerechnet an diesem Tag seine bewährten „Schemel-Downer“-Tropfen nicht dabei. Homo faber, der er war, fabrizierte er sich in einer kurzfristig anberaumten Pause aus dem Unterrock der ersten Geigerin das später legendär gewordene „Bruchband“, welches ihm gestattete, das Konzert nach kurzer Unterbrechung fortzusetzen und zu einem viel bejubelten Ende zu führen. RÜDIGER KIND
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