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Im Zweifel für NPD

Nach der Weigerung, weitere V-Leute zu nennen, rechnen Rechtsexperten mit Aus für Verbotsantrag. Für ein geheimes Verfahren „keine Grundlage“

von LUKAS WALLRAFF

Die NPD darf sich freuen. Nach der Weigerung der Innenminister von Bund und Ländern, das staatliche Spitzelsystem in der rechtsextremen Partei offenzulegen, droht nach Ansicht führender Verfassungsrechtler das Aus für das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. „Wenn die Innenminister keine weiteren Informationen vorlegen, müssen sie mit der wahrscheinlichsten Lösung rechnen: Dass der Verbotsantrag abgewiesen wird“, warnte der Berliner Professor für Staatsrecht, Christian Pestalozza.

„Wenn das Material zweifelhaft ist, kann es nicht berücksichtigt werden“, sagte Pestalozza der taz. „Dann muss es zugunsten der NPD ausgelegt werden.“ Auch der frühere Verfassungsrichter Hans-Hugo Klein übte Kritik an der Haltung der Minister, keine weiteren V-Leute enttarnen zu wollen. „Damit erhöht sich das Risiko, dass die Anträge abgelehnt werden“, warnte Klein.

Bis zum 31. Juli haben die Innenminister noch Zeit. Dann müssen sie auf den Beschluss des Verfassungsgerichts vom Mai reagieren, in dem Aufklärung über die Zusammarbeit staatlicher Stellen mit der NPD angemahnt wird. Doch dazu sind die treibenden Kräfte im NPD-Verbotsverfahren, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und sein bayerischer Kollege Günther Beckstein (CSU), nicht bereit. Schily verbat sich Kritik von „ehemaligen Richtern“. Zur Forderung der Grünen nach Offenlegung der Quellen sagte er, sie verfügten „nicht über allzu großes Sachverständnis“. Wenn die Verfassungsschützer „die Namen ihrer Informanten preisgeben, dann können sie ihre Arbeit einstellen“.

Beckstein ließ seinen Sprecher erklären, eine Offenlegung der V-Mann-Aktivitäten sei nur denkbar, wenn sicher gestellt sei, dass die NPD „davon keine Kenntnis“ erhalte – also in nichtöffentlichen Beratungen. Auch für die SPD sind die Geheimdienste offenbar wichtiger als ein transparentes Gerichtsverfahren: „Man kann die Identität von V-Leuten nicht offen handeln“, sagte der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz.

Doch auf den Wunsch nach Geheimhaltung wird Karlsruhe nicht eingehen, glaubt Christian Pestalozza, Autor eines einschlägigen Werks zum Verfassungsprozessrecht. „Die bisherigen Stellungnahmen des Gerichts liefern für ein solches nichtöffentliches Verfahren keine Grundlage“, sagte Pestalozza. „Den Antragsgegner auszuschließen, kann ich mir nicht vorstellen.“ Zumindest der Teil des Materials, der gegen die NPD verwendet werde, müsse ihren Anwälten zugänglich gemacht werden. Auch vertrauliche Vorgespräche ohne NPD machten deshalb wenig Sinn: „Wenn dann gesagt wird, die Quellen A, B und C können wir nicht verwenden, wir nehmen nur D, E und F – dann weiß die NPD, die anderen waren V-Leute.“ Also müsste das gesamte Verfahren geheim bleiben. „Meine Fantasie reicht nicht aus, wie das rechtsstaatlich und praktisch laufen könnte.“

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