: Hermann Kant – dreekantig rut smieten!
Vom 20. bis zum 22. September treffen sich in Bad Bevensen Literaten, Journalisten und Interessierte, um bei der „Bevensen-Tagung“ über Zustand und Zukunft des Plattdeutschen zu diskutieren. In diesem Jahr soll der ehemalige DDR-Kulturfunktionär Hermann Kant den Eröffnungsvortrag halten
Kantig ist sein Gesicht. So richtig, wie man sich einen nach einem arbeitsreichen Leben in Ehren ergrauten Proletarier vorzustellen hat. An seinen Kanten hat sich manch einer schmerzhafte Verletzungen zugezogen.
Kant – Hermann heeßt er, Hermann heeßt er –hatte das persönliche Glück, dem auch und gerade in der DDR tristen Proletarierdasein entfliehen zu können, indem ihm erlaubt wurde, Schriftsteller zu werden. Ein aus dem echten Proletariat stammender Vorzeige-Intellektueller im Dienste der herrschenden Kaste.
Manche ehrliche wenn auch naive Hoffnung hat sich seinerzeit daran geknüpft, dass das Schreiben der Wahrheit in der DDR möglich wäre. Er hat sie alle verraten. Es ist ihm gut gegangen dabei, besser als den Proletarier Gebliebenen und besser als den Dichtern und Schriftstellern, die ein ehrliches Anliegen hatten und dafür mutig eintraten.
Ein STASI-Spitzel und Denunziant war er geworden als Vorsitzender des DDR- Schriftstellerverbandes – oder umgekehrt. Das kann man ungestraft sagen. Wenn so einer im Hauptberuf ein Dichter und Schriftsteller ist, möchte jeder ehrlich Schreibende sich selbst lieber stolz Schreiberling nennen.
Wat hefft wi nu dormit to doon? Einmal im Jahr, regelmäßig am zweiten Wochenende im September, trifft sich seit 54 Jahren alles, was Plattdeutsches dichtet, schreibt oder sonstwie publiziert zu einer Tagung in Bad Bevensen. Damals hieß das noch gar nicht Bad. Und da es das Wort Tagung im Plattdeutschen wegen der in dieser Sprache nicht vorkommenden Endung „-ung“ gar nicht gibt, heißt es traditionell „Bevensen Dagfohrt“. Und der Verein auf hochdeutsch Bevensen-Tagung e.V..
Dat hett intwüschen so sien Traditschoon. Und nun weht uns zusammen mit dem Protokoll der vorigen eine Vorankündigung zur nächsten Tagung auf den Schreibtisch, in der es gleich zu Anfang heißt: Eröffnungsvortrag von Hermann Kant. – Wie? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Anruf beim Vorstand: „Was ist das denn? Gibt es denn noch einen, der so heißt?“ Antwort: „Nein, das ist schon richtig. Der ist es. Und warum auch sollte er nicht!“ Jüst dat wüllt wi hier mol klorstellen.
Er soll nicht, weil damit eine ungute Tradition wieder aufgenommen würde. Vereine wie die Bevensen-Tagung eignen sich als politisch neutrale Organisation vorzüglich dazu, dass sogenannte Seilschaften tätig werden. Am Willen der Mitglieder vorbei wird einzelnen, die am Seil hängen und Dreck am Stecken haben, zu einer neuen, unverdächtigen Reputierlichkeit verholfen.
Nach dem Kriege sind in der Bevensen-Tagung e.V. manche Nazidichter untergekrochen. Der Laden war lange Zeit teilweise in ihrer Hand, und sein Ruf hat damals entsprechend gelitten. Das wirkt zum Teil bis heute nach. Die alten Nazis sind nun allmählich weggestorben. Un nu geiht dat wedder vun vörn los? Bloots vun de anner Siet? Nee, dat mokt wi nich mit!
Thema der drei Eingangsreferate auf der 55. Tagung: „Wie man als Schriftsteller in der jeweiligen Sparte auf Themen der Zeitgeschichte reagiert.“ Die anderen beiden Bereiche: Lyrik, und Kurzprosa. Ist ja alles rein literarisch, abgehoben und doch so schön realitätsnah. Aber: „Für den Bereich Satire: Hermann Kant“, da fällt einem anbetrachts seiner Vergangenheit nur das Zitat ein: „Satire soll töten, aber nicht verletzen.“ Den sull ik mol in Moors hebben – den worr `k in de Elv schieten.
Und als Krönung des ganzen heißt es hinter vorgehaltener Hand: Er hat sich ausbedungen, dass es im Anschluss an sein Referat zu keiner Podiumsdiskussion kommt, in der er zu seiner Vergangenheit Fragen beantworten müsste. Jaja, das sagten die alten Nazis auch immer: Mal muss Schluss sein mit der Vergangenheit!
Wir fragen hier ganz laut den Vorstand der Bevensen-Tagung: Seid ihr denn völlig naiv? Wer organisiert die Seilschaft? Ganz von Ungefähr kann eine solche Einladung doch nicht kommen. Mit Plattdüütsch hett de doch noch nie nich wat an‘n Hoot hat. Wat hett de in Bevensen to söken! Sucht er einen Hintereingang in die seriöse heutige Literaturszene? Und wer hilft ihm dabei? Wer handelt einen solchen Vertrag aus? Hat er dafür schon einen Vorschuss erhalten, oder gar gezahlt? Wir leben ja im von allen inzwischen akzeptierten Kapitalismus, wo nichts ohne rechtsgültigen Vertrag geht. Und alles wird – gottlob – irgend wann öffentlich, wie wir mittlerweile wissen. So und nur so ist es Recht. Wir fordern daher den Vorstand der Bevensen-Tagung auf: Smiet em rut! Noch is Tied.
Berni Kelb
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