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„Doppelt bestraft“

Morgen wird der Fall Mehmet neu verhandelt. Der Ausländerrechtler Victor Pfaff kritisiert, dass auch Rot-Grün jugendliche Straftäter ausweisen lässt

Interview CHRISTIAN RATH

taz: Herr Pfaff, morgen verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über den Fall Mehmet, den aus München in die Türkei abgeschobenen jugendlichen Serienstraftäter. Welche Bedeutung hat dieses Verfahren?

Victor Pfaff: Es erinnert daran, dass Deutschland die Einwanderung der einst angeworbenen Arbeiterfamilien immer noch nicht akzeptiert hat. Wie kann man sonst auf die Idee kommen, die Kinder der ehemaligen Gastarbeiter bei strafbarem Verhalten einfach in das Herkunftsland ihrer Eltern zurückzuschicken?

Wird sich daran durch das neue rot-grüne Zuwanderungsgesetz etwas ändern?

Nein, die Möglichkeiten zur Ausweisung hier aufgewachsener „Ausländer“ bleiben im Wesentlichen erhalten. Das fand ich sehr enttäuschend.

Wie viele derartige Ausweisungen gibt es pro Jahr?

Das sind vermutlich mehrere hundert Fälle jedes Jahr.

Warum ist dann gerade Mehmet so bekannt geworden?

Weil die bayerischen Behörden zuerst versuchten, Mehmets Eltern wegen Verletzung ihrer Erziehungspflichten abzuschieben. Das war so skandalös, dass es bundesweit Aufsehen erregte. Auf Druck der Gerichte wurde das zwar nicht weiterverfolgt. Aber nachdem Mehmet 14 Jahre alt war und weitere Straftaten beging, wurde seine Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert und er selbst abgeschoben.

Soll nach Ihrer Auffassung nur die Ausweisung „ausländischer“ Jugendlicher gestoppt werden oder auch die von erwachsenen Immigranten?

Mir kommt es darauf an, dass Menschen, die ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht haben, nicht plötzlich in ein anderes Land geschickt werden können. Hier werden Menschen doppelt bestraft, nur weil sie keinen deutschen Pass haben. Als erster Schritt wäre es aber sinnvoll, zumindest Jugendliche und Heranwachsende nicht mehr auszuweisen, da Jugendkriminalität ohnehin in der Regel nur ein vorübergehendes Phänomen ist. Das war auch der Vorschlag der Süssmuth-Kommission.

Ist im Fall Mehmet eine Grundsatzentscheidung zu dieser Frage zu erwarten?

Vermutlich nicht. Denn hier geht es im Wesentlichen um das Sonderproblem, ob und wie Mehmet als Sohn türkischer Arbeitnehmer vom Assoziationsabkommen der EU mit der Türkei geschützt wird. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte im November 2001 entschieden, dass die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden muss, weil nicht zu erwarten sei, dass Mehmet sein Verhalten fortsetzen werde und er ein Recht darauf habe, bei seinen Eltern zu leben. Dieses Urteil haben die Stadt München und der Freistaat Bayern mit der Revision angegriffen.

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