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Kleine Nebeneinkünfte für die Genossen

Ein Korruptionsskandal erschüttert Vietnam. Die Fäden reichen bis ins ZK der Kommunistischen Partei. Seit kurzem gilt eine Nachrichtensperre

BERLIN taz ■ Vietnam wird gegenwärtig von einem Korruptionsskandal erschüttert, der alle bisherigen in den Schatten stellt. Eine Mafiabande aus der südlichen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt soll weitreichende Verbindungen bis ins Zentralkomitee der Kommunistischen Partei haben, dem Führungszentrum des Landes. Selbst dort lässt Innenminister Truong Huu Quos inzwischen ermitteln. Die Bande, die nach ihrem Chef „Nam Can“ heißt, soll die Prostitution in Ho-Chi-Minh-Stadt und den Drogenhandel im ganzen Süden kontrollieren sowie mit Waffen gehandelt und Morde begangen haben. Prostitution ist in Vietnam verboten, auf Drogenhandel steht die Todesstrafe.

Die Regierung verordnete inzwischen eine Nachrichtensperre. Zuvor hatten die Zeitungen berichtet, dass 60 Bandenmitglieder, darunter auch der „Chef der Unterwelt“, Nam Can, festgenommen wurden.

Nachdem die Ermittler jahrelange machtlos gegen die Unterwelt der Millionenstadt schienen, galt das endlich als der große Durchbruch. Nach offiziellen Angaben wurden auch 51 Polizeioffiziere und Polizisten festgenommen. Sie sollen jahrelang bestochen worden sein, um die Bande gewähren zu lassen. Es ist von „wöchentlichen und monatlichen Zahlungen in Höhe von 500.000 bis 1 Million vietnamesische Dong“ (40 bis 80 Euro) pro Polizist die Rede. Deren Monatsgehalt beträgt normalerweise 60 bis 100 Euro.

In den 90er-Jahren wuchsen in Vietnam die Wirtschaft und die Lebenshaltungskosten in atemberaubendem Tempo. Weil der Staat mit den Steuereinahmen nicht nachkam, um seine Angestellten zu bezahlen, erlaubte er ihnen oft Nebeneinkünfte. Damit wurde in dem Einparteienstaat der Beamtenwillkür Tür und Tor geöffnet.

Unter den Festgenommenen war auch der Chef der städtischen Kriminalpolizei. Er soll nach offiziellen Angaben gemeinsam mit dem Chef der Unterwelt in zwei berüchtigte Restaurants und eine Tanzbar investiert haben, die er wegen der dortigen Prostitution eigentlich hätte schließen müssen. Verhaftet wurde auch der Chef eines Hanoier Umerziehungslagers. Er soll 1995 den Bandenchef für 11.000 US-Dollar Schmiergeld in ein normales Gefängnis überstellt haben. Der fand dann auch dort laut den offiziellen Verlautbarungen einen Gönner, obwohl er mit der Todesstrafe hätte rechnen müssen.

Auch der Chef des Staatsrundfunks, Tran Mai Hanh, setzte sich für die Freilassung des Bandenchefs ein. Der Rundfunkchef ist Mitglied im KP-Zentralkomitee und wurde inzwischen aller Ämter enthoben. Er durfte nach den jüngsten Parlamentswahlen sein Mandat nicht antreten. Weil ihm die Annahme von Bestechungsgeldern nicht nachgewiesen wurde, war er zumindest bis zur Nachrichtensperre noch frei.

Diese wurde verhängt, nachdem die Medien offen darüber zu spekulieren begannen, ob es im Zentralkomitee vielleicht noch höhere Gönner der Unterwelt gebe. Ein Indiz für diese These wären zumindest die Ermittlungen in der Parteiführung, die der Innenminister persönlich leitet. MARINA MAI

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