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Ambivalenter Etappensieg des Euros

Der Kursgewinn des Euros lebt von den Verlusten des schwachen US-Dollars. Und dahinter stecken reale Probleme der US-amerikanischen Wirtschaft. Wie gut ein starker Euro für Europa und die Welt ist, muss sich noch herausstellen

von HERMANNUS PFEIFFER

Der Euro hat am Montag erstmals seit zweieinhalb Jahren die Parität zum US-Dollar erreicht. Um 12.03 Uhr übersprang die neue Währung die magische Grenze von einem Dollar. Dabei profitiert der Euro vor allem von der Schwäche der globalen Leitwährung.

Ausgelöst hatten den relativen Dollarverfall diverse Bilanzmanipulationen in den USA. Zuletzt brachte Ende Juni der Fall Worldcom das Fass zum Überlaufen. Das zweitgrößte US-Telekommunikationsunternehmen hatte Falschbuchungen über 3,85 Mrd. US-Dollar (4 Milliarden Euro) in seinen Büchern entdeckt – ein Bilanzbetrug in bis dahin unbekannter Größenordnung.

Wie ungenau und beliebig viele US-Bilanzen sind, hatte der weltgrößte Energiehändler Enron bereits im Dezember bewiesen. Enron musste trotz hervorragender Zahlen plötzlich Konkurs anmelden. Ein Dutzend weitere entdeckte Bilanzmanipulation zerrüttete das Vertrauen der Finanzmärkte in US-Konzerne.

Die internationale Finanzpresse befürchtet, dass der neue Skandal um Worldcom die Spirale aus fallenden Aktienkursen und Dollarschwäche beschleunigt und die Angst vor einer ernsten Krise der Weltwirtschaft schürt. Auf jeden Fall dürfte das Vertrauen in US-amerikanische Konzerne auf Jahre geschädigt sein. Die Folge ist eine Flucht aus dem unsicheren Dollar in den Euro – dessen Kurs steigt.

Antrieb erhält das Fluchtkapital auch von der notorischen Leistungsbilanzschwäche der USA. Seit Jahren lebt Amerika von finanziellen Transferzahlungen aus dem Rest der Welt. Da die Aktien wackeln und die Zinsen immer weiter sinken, sinkt die Lust auf Dollars.

Beigetragen hat dazu die US-Notenbank, die in einem Jahr ihre Leitzinsen ein Dutzend Mal gesenkt hat – auf den tiefsten Stand seit 40 Jahren. Ihr Leitzins von 1,75 Prozent liegt 0,5 Prozentpunkte unter dem Eurosatz.

Verstärkend wirken auch das konjunkturelle Tief in den USA und Zweifel an ihren politischen Allmachtfantasien, wie sie sich im Streit um den Internationalen Gerichtshof zeigen. Sportlich gesehen ist der Eurosieg erfreulich. Und mental dürfte er dem Dollar auf den Finanzmärkten auch langfristig schaden.

Dass sich die Europäische Zentralbank bedeckt hält, wundert nicht. Schließlich ist der (zeitweilige) Sieg für Europa wirtschaftlich durchaus zweischneidig. Immerhin wird schätzungsweise ein Drittel des Exports in Dollar abgerechnet, das heißt, deutsche Werkzeugmaschinen, italienischer Parmesan oder französische Autos werden nun in New York, Tokio oder Johannesburg deutlich teurer werden. Dies kann der gerade ein wenig anziehenden Konjunktur in der EU schnell einen Dämpfer verpassen. Zudem meldeten Frankreich, Portugal und Italien am Wochenende, dass sie die Euro-Stabilitätsziele verpassen. So könnte der Euro schnell wieder in den Keller sinken, in dem er eigentlich noch steckt: An seinem ersten Handelstag, am 4. Januar 1999, war der Euro noch mit sagenhaften 1,1747 Dollar gehandelt worden.

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