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Trichet droht nun Gerichtsverfahren

Der französische Zentralbankchef muss wegen einer Bankenaffäre vor Gericht, bleibt aber Kandidat für die EZB-Spitze

PARIS rtr/ap ■ Der bislang aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von Wim Duisenberg als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) muss vermutlich vor Gericht. Ein Pariser Untersuchungsrichter entschied, den derzeitigen Gouverneur der Bank von Frankreich, Jean-Claude Trichet, wegen seiner Rolle im Finanzskandal um die Bank Crédit Lyonnais (CL) vor Gericht zu stellen. Frankreich will aber an der Nominierung Trichets als Kandidat für die EZB-Spitze festhalten.

Nach Einschätzung von Analysten ist derzeit auch keine Alternative für die Duisenberg-Nachfolge zu erkennen. Auch dem griechischen Finanzminister und Vorsitzenden der Eurogruppe, Nikos Christodoulakis zufolge wird ein Gerichtsverfahren die Besetzung des Chefpostens der EZB nicht beeinflussen. Analysten zufolge hängt das von der Länge des Verfahrens ab, eine lange Prozessdauer könne die Chancen Trichets durchaus erheblich schmälern, sagte Uwe Angenendt, Volkswirt der BHF-Bank. Banken-Analystin Dorothea Huttanus erklärte, sollte Trichet tatsächlich verurteilt werden, dürfte er als EZB-Präsident nicht mehr tragbar sein. Die Staatsanwaltschaft, die im Vorfeld gefordert hatte, das Verfahren gegen Trichet einzustellen, kann binnen fünf Tagen Einspruch gegen die Entscheidung von Untersuchungsrichter Philippe Courroye einlegen. Dies werde sie aber wahrscheinlich nicht tun, hieß es aus Justizkreisen. Gemeinsam mit Trichet soll auch dem früheren CL-Chef Jean-Yves Haberer, den CL-Managern François Gille und Bernard Thiolon sowie dem ehemaligen Notenbankchef Jacques de Larosière der Prozess gemacht werden.

Gegen den 59-jährigen Trichet wird seit April 2000 ermittelt. Ihm wird vorgeworfen, als Direktor des staatlichen Schatzamtes falsche Informationen an die Finanzmärkte verbreitet und unrichtige Geschäftsangaben veröffentlicht zu haben.

Die CL, bis 1999 in staatlicher Hand, machte von 1992 bis 1994 rund 3,2 Milliarden Euro Verlust. Die Sanierung der Bank kostete den französischen Steuerzahler gut 15 Milliarden Euro. Trichet war von 1987 bis 1993 Direktor des staatlichen Schatzamtes, bis er im September 1993 Chef der Bank von Frankreich wurde.

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