Sie giften sich weiter an

Stadtreinigungsbetriebe wollen Deponie Wannsee zwar über 20 Jahre nach der Schließung sanieren. Die örtliche Umweltstadträtin aber sagt: Die Gefahr für das Grundwasser wird dadurch nicht beseitigt

von STEFAN ALBERTI

„Wohnen in legendärer Lage“ steht auf einer Werbetafel im Villenviertel südlich des Griebnitzsees. Lauschig. Nur wenige hundert Meter weiter, jenseits des schmalen Gewässers, lagert im Wald eine Umweltlast: Von der 1980 geschlossenen Deponie Wannsee sickern Giftstoffe ins Grundwasser. Den Stadtreinigungsbetrieben (BSR) ist das seit 1972 bekannt. Ab Frühjahr 2003 will das Unternehmen, das keine aktuelle Gefahr sieht, nach langem Zuständigkeitsstreit mit dem Senat für rund 12 Millionen Euro sanieren – im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung. Bezirksstadträtin Anke Otto (Grüne) aber sagt: „Durch die vorgesehene Sicherungsmaßnahme wird die Gefahr eigentlich nicht beseitigt.“

Durch ein gut zwei Meter hohes Maschendrahttor am Ende der früheren Deponiezufahrt sieht das Bild wenig bedrohlich aus. Grün bewachsen steht da, umgeben von Laubwald, ein Hügel. Doch darunter und auch vor dem Drahtzaun liegt, laut BSR bis zu 2,50 Meter dick abgedeckt, der Müll aus 24 Deponiejahren: über 32 Millionen Kubikmeter, davon 40 Prozent Industrieabfall und fast eine halbe Million Kubikmeter Sondermüll. Mit dem Regen sickern Schwermetalle, Chloride und Benzole ins Grundwasser. Bis zum Sechsfachen wurden Grenzwerte überschritten. Das gravierende Gefahrenpotenzial sei unstrittig, urteilte das Landeskriminalamt im Mai 2000. Ermittlungen zu einer Strafanzeige der Grünen-Fraktion laufen noch. Im Griebnitzsee ist das Sickerwasser laut Zehlendorfer Umweltamt schwer nachweisbar.

Gutachten der BSR und des Senats kamen schon vorher zu dem Schluss, dass eine Sanierung erforderlich ist. „Zwingend geboten“ sei eine zügige Entgiftungsmaßnahme, urteilte 1995 eine Ingenieurgesellschaft. Kosten der dreijährigen Untersuchungen: 6 Millionen Mark.

Im Juli 1999 ordnete der Senat an: Sofort mögen die BSR sanieren. Die 100-prozentige Landestochter aber hielt sich nicht für zuständig, klagte beim Verwaltungsgericht. Der Streit sorgte für seltsame Allianzen und ließ den damaligen CDU-Bezirksbürgermeister Eichstädt die Grünen um Unterstützung bitten.

Erst Anfang 2001 einigten sich beide Parteien außergerichtlich. Seither laufen laut BSR-Sprecherin Sabine Thümler vorbereitende Arbeiten: „Man muss zunächst mal planen und Genehmigungen einholen.“ Manfred Breitenkamp, Umweltpolitikchef in der Senatsverwaltung, sagte gestern, er habe den Sanierungsplan in dieser Woche unter Auflagen genehmigt.

Ab Spätsommer wollen die BSR Anwohner informieren, was ab 2003 auf sie zukommt: Über 22.000 Lkw-Ladungen sollen binnen zwei Jahren 340.000 Kubikmeter Boden anliefern. Damit sollen, gleich einem Flickenteppich, besonders belastete und wenig gesicherte Bereiche zusätzlich abgedeckt und bepflanzt werden und für eine so genannte Wasserhaushaltsschicht sorgen. Sie soll, allerdings erst nach 20 Jahren, 78 Prozent des Regenwassers aufsaugen und am Durchsickern hindern. Auf die ganze Deponie bezogen, soll der Saugwert bei 39 Prozent liegen.

Die Grünen-Parlamentarierin Claudia Hämmerling hält dem eine Stellungnahme der Bundesregierung entgegen. Ein Wasserhaushaltssystem allein sei als Deponieflächenabsicherung grundsätzlich ungeeignet, beantwortete die im März eine PDS-Anfrage im Bundestag. „Das bezieht sich unseres Erachtens nicht auf Altablagerungen, wie wir sie hier haben“, sagt BSR-Expertin Pirko Karl. Ähnlich äußert sich auch die Senatsverwaltung. Mit der Maßnahme werde das Schutzziel am besten erreicht.

Im Bezirksamt Zehlendorf sieht man das anders. Stadträtin Otto geht wie Umweltamtschef Andreas Ruck die geplante Sanierung nicht weit genug. „Es bleibt der Eindruck bestehen, es werde viel Boden und Geld umgesetzt, jedoch nur geringer Sicherungseffekt erreicht“, schrieb er im Juni in einer Stellungnahme. Er fordert, Teilbereiche nicht abzudecken, sondern mit einer Folie abzudichten. Das würde laut BSR die Kosten erhöhen. Eine solche Abdichtung will Grünen-Abgeordnete Hämmerling über das Parlament durchsetzen.

Aktuelle Gefahr sehen die BSR nicht: Das Sickerwasser würde das nächstgelegene Wasserwerk erst in 1.500 Jahren erreichen. Ruck mag das gar nicht bestreiten. Das Recht aber schütze das Grundwasser unabhängig davon, ob es verwendet wird. Gelte das bei der Deponie nicht, habe er ein Problem: Dann würden sich die Bürger fragen, warum das für die BSR möglich ist, während man gleichzeitig private Heizölanlagen genau kontrolliert.