: Klandestine Treffen in der Schweiz
Staatsanwaltschaft spricht von „Strukturen der organisierten Kriminalität“ beim Kölner Müllskandal. Mittendrin: Der frühere Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Wienand. Er gilt als „dringend verdächtig“ und muss in U-Haft bleiben
aus Köln PASCAL BEUCKERund FRANK ÜBERALL
Regine Appenrodt fand deutliche Worte. Das Beziehungsgeflecht zwischen den Beschuldigten im Kölner Müllskandal weise „Strukturen der organisierten Kriminalität auf“, erklärte die Oberstaatsanwältin. Mitten im Geflecht: Karl Wienand. Der frühere Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion muss in Untersuchungshaft bleiben. Das Kölner Landgericht verwarf seine Haftbeschwerde. Gestern erläuterte Appenrodt die Entscheidung.
Danach sieht das Gericht Wienand als „dringend verdächtig“ der Beihilfe zur Bestechung und der Steuerhinterziehung. Der 75-Jährige soll für seine „vermittelnde Tätigkeit“ beim Bau der umstrittenen Kölner Müllverbrennungsanlage unmittelbar 2,25 Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben. Hinzu kommen noch mehr als eine Million Euro, die der ebenfalls seit Mitte Juni inhaftierte frühere Müllunternehmer Hellmut Trienekens an ihn weitergegeben haben soll.
Es bestehe weiterhin Verdunklungsgefahr, so Appenrodt. So habe es in den Jahren 2000 und 2001 konspirative Treffen der Mitbeschuldigten in Zürich gegeben. Dabei seien „die strafrechtlichen Vorgänge in Köln besprochen und die Aussagen abgesprochen“ worden. Auch wenn Wienand nicht an diesen Treffen teilnahm, seien sie ein „Indiz für das Beziehungsgeflecht zwischen den Teilnehmern der Unrechtsvereinbarung“, zu denen der frühere Wehner-Vertraute gehöre. Trotz der umfangreichen Aussagen zweier Mitbeschuldigter sei immer noch vieles nicht aufgeklärt, „insbesondere die genauen Zahlungsflüsse und der Verbleib der Gelder“. Nach den bisherigen Erkenntnissen flossen beim Bau des Kölner Müllofens in den 90er-Jahren mindestens 11 Millionen Euro.
„Aufgrund der Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe“ geht das Landgericht zudem von einer weiterhin bestehenden Fluchtgefahr aus. Dabei spiele nicht nur der Umfang der Tatvorwürfe eine Rolle, „sondern auch der Umstand, dass der Beschuldigte einen Teil der Bestechungsgelder während eines gegen ihn laufenden Strafverfahrens vor dem OLG Düsseldorf angenommen“ habe. Der Hintergrund: Wienand war 1996 wegen Spionagetätigkeit für die DDR zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 1999 wurde er von Exbundespräsident Roman Herzog begnadigt.
Was ihm jetzt zum Verhängnis werden kann: Herzog verband die Begnadigung mit der Anordnung einer Bewährungszeit von fünf Jahren. Die ist noch nicht um. Darüber hinaus seien auch die guten Kontakte Wienands ins Ausland und ein erhebliches Fluchtkapital als Fluchtanreize zu werten, befand das Gericht.
Exmüllmogul Trienekens kann hingegen mit seiner kurzfristigen Freilassung rechnen. Drei Tage lang fuhren die Ermittler allmorgendlich zur Justizvollzugsanstalt nach Fröndenberg, um detailliert die Aussagen des Entsorgungspaten zu notieren. Der Richter am Landgericht hatte Trienekens in Aussicht gestellt, die Zelle wieder verlassen zu dürfen, wenn er umfassend auspackt. Heute will er nun prüfen, ob der 63-Jährige genug geplaudert hat. Für den Fall der Freilassung wurde bereits eine Rekordkaution von 100 Millionen Euro verlangt, die Trienekens zu zahlen bereit sein soll.
Unterdessen ziehen sich die parteiinternen Verfahren im SPD-Spendenskandal weiter hin. Wie die taz erfuhr, wird die Verhandlung gegen den langjährigen Kölner SPD-Chef Kurt Uhlenbruch erst Ende August stattfinden. Er soll einer von drei Empfängern fingierter Spendenquittungen sein, denen der Parteiausschluss droht. Diese Entscheidung würde dann mitten in die heiße Wahlkampfphase fallen.
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