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New Labour verliert die Gewerkschaften

Ein Vertrauter von Großbritanniens Premierminister Tony Blair erleidet Schlappe bei Gewerkschaftswahl

DUBLIN taz ■ Der britischen Labour-Regierung entgleiten die Gewerkschaften. Vorgestern Abend unterlag der Vertraute des Premiers Tony Blair, Ken Jackson, bei der Wahl zum Generalsekretär von Amicus, der zweitgrößten Gewerkschaft. Er wurde von einem Außenseiter besiegt: Derek Simpson, ein früheres Mitglied der Kommunistischen Partei, gehört seit zehn Jahren zum linken Labour-Flügel. „Ich will Gesetze zum Schutz der Arbeiter, der Jobs und der Renten“, sagte er gestern. „Wir haben eine Labour-Regierung, aber wir haben das schlechteste Arbeitsrecht in Europa.“

Jackson erkennt das Ergebnis nicht an und unterstellt Simpson „Unregelmäßigkeiten“ bei der knapp ausgegangenen Wahl. Nachdem man dreimal nachgezählt hatte, trennten die beiden nur 406 der über 180.000 abgegebenen Stimmen. Der Streit dürfte noch Wochen dauern.

Ein Trost bleibt Blair: Da Amicus erst vor kurzem durch eine Fusion von zwei Gewerkschaften entstand, gibt es noch zwei Generalsekretäre. Der andere ist regierungsfreundlich. Doch Simpsons Wahl liegt im Trend. Die Abnabelung der Gewerkschaften von Labour hat längst begonnen. Mit Bob Crow und Mark Sawotka wurden im Frühjahr Mitglieder der Socialist Alliance an die Spitze zweier Gewerkschaften gewählt, und an der Gewerkschaftsbasis macht sich neue Militanz breit. Streiks, so dachte man, seien seit Margaret Thatcher eine Aktionsform der Vergangenheit. Doch in dieser Woche legten die Angestellten der Kommunalverwaltungen und dann die Beschäftigten der Londoner U-Bahn die Arbeit für 24 Stunden nieder. Ein Streik der Tankwagenfahrer steht bevor.

Der Gewerkschaftsdachverband erhebt 33 Forderungen nach besserem arbeitsrechtlichem Schutz. Die Arbeiter seien heute unzufriedener als vor zehn Jahren. So waren die Streiks dieser Woche nur der Auftakt eines heißen Sommers. Tony Woodley von der Transportarbeitergewerkschaft: „Viele unserer Mitglieder haben das Vertrauen in so manche Gewerkschaftsführung verloren.“

Der Gewerkschaftsboss John Edmonds sagt: „In den vergangenen zwei Jahren wurden alle wichtigen Gewerkschaftswahlen von Leuten gewonnen, die New Labour kritisch gegenüberstehen. Die Regierung sollte darüber intensiv nachdenken.“ Die Arbeitgeber machen das bereits. Ruth Lea vom „Institute of Directors“ sagt: „Wir erwarten, dass die Auseinandersetzungen immer militanter werden.“

Die Gewerkschaften können auch die Spenden, die sie der Labour Party überweisen, weiter kürzen. Das würde die hoch verschuldete Partei vor große Probleme stellen. Am Ende wird sie vielleicht gar nicht abgewählt, sondern muss Konkurs anmelden. RALF SOTSCHECK

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