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Der Sommer der Senatorin

Niemand mag Generalstaatsanwalt Karge. Trotzdem hat Justizsenatorin Schubert seine Ablösung zu einem Problem gemacht, das an Kanzler Schröders Telekom-Desaster erinnert. Heute Abwahlantrag

von ROBIN ALEXANDER

Heute startet der Senat das Verfahren, das zur Ablösung von Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge führen soll. „Wir reichen einen Abwahlantrag als Senatsvorlage ein“, bestätigte gestern ein Justizsprecher. Eine Diskussion im Senat ist nicht zu erwarten, zumal Justizsenatorin Charlotte Schubert (SPD) als Stellvertreterin des Regierenden Bürgermeisters die Senatssitzung selbst leiten wird. Klaus Wowereit besucht zurzeit London.

Glück für Schubert, dass Wowereit nicht am Senatstisch sitzt. Der Regierende neigt dazu, auch Senatoren hart bis überhart zu kritisieren, wenn ihm Vorlagen mangelhaft erscheinen. Und in Sachen Schubert versus Karge ist in den vergangen Wochen einiges schief gelaufen.

Dabei waren die Voraussetzungen eingentlich günstig, den ungeliebten Karge (s. oben) loszuwerden. Dies kann nur durch eine Abwahl im Abgeordnetenhaus geschehen. In der CDU-Fraktion erinnert man sich daran, dass früher Eberhard Diepgen nur davor zurückschreckte, seinen Justizsenatoren den Rauswurf Karges zu gestatten, weil der 61-Jährige, den einst Lore Maria Peschel-Gutzeit aus Hessen nach Berlin holte, ein SPD-Parteibuch hat. Diepgen wollte die minderwichtige Causa Karge nicht zum Anlass für Streit mit dem SPD-Koalitionspartner machen. Die Grünen sind so schlecht auf Karge zu sprechen, dass sie jeden Abwahlantrag mittragen würden. Gute Chancen also auf eine breite Mehrheit inklusive Opposition. Dann trat Frau Schubert in Aktion.

Durch eine Indiskretion erfuhr die Öffentlichkeit einen Tag vor dem Betroffenen von den Abwahlabsichten. Zudem tritt das Abgeordnetenhaus erst am 28. August wieder zusammen, Karge amtiert also wochenlang als lame duck. Diesen ungünstigen Zustand zu beenden, verfiel Senatorin Schubert auf die Idee, den Generalstaatsanwalt zu beurlauben. Dies wäre aber nur mit dessen Einverständnis möglich. Karge bockte, und Schubert musste die schon angekündigte Beurlaubung zurückziehen. Danach versuchte Schubert Karge über den Paragrafen 25 des Landesbeamtengesetzes (Verbot der Amtsausübung) kaltzustellen. Dieser Paragraf wird bei Korruption, Untreue oder ähnlich schweren Kalibern angewandt. Eine Steilvorlage für Karge, der Klage vor dem Verwaltungsgericht andeutete. Schubert zog wieder zurück. Karge ist kein leichter Brocken: Andere hätten längst aufgegeben, er kämpft selbst um die öffentliche Meinung, füttert Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und lässt sich von der Bild-Zeitung als „Vollblutjurist“ im Ringen mit einer böswilligen Politikerin bezeichnen.

Mittlerweile wittert auch die Opposition die Möglichkeit, den rot-roten Senat vorzuführen. „Die Indiskretionen fallen auf die Senatorin zurück“, erklärt Roland Gewalt, Innenexperte der CDU-Fraktion. Ohne ausreichende Begründung sei seine Fraktion nicht bereit, Karge abzuwählen. Hier liegt in der Tat ein Problem. Der Abwahlantrag, der heute beschlossen wird, sieht als Begründung lediglich das „gestörte Vertrauensverhältnis“ vor. Mit dieser Formel entlässt man politische Beamte, aber auch einen Generalstaatsanwalt? „Ohne die Nennung präziser Gründe werden wir Karge nicht abwählen“, sagt Martin Lindner, FDP-Fraktionschef. Karge wird der „Ron Sommer der Justizsenatorin Schubert“, vergleicht Lindner den Vorgang mit der unglücklichen Entlassung des Telekom-Chefs unter der Regie des Bundeskanzlers. Eine Analogie zum Telekom-Führungswechsel drängt sich in der Tat auf: Ein Nachfolger ist noch nicht gefunden. Jedenfalls keiner, der so überzeugend wäre, dass er werbend präsentiert werden könnte. Die Senatorin Schubert kann wirklich froh sein, dass ihr Abwahlantrag heute im Senat von der Bürgermeisterin Schubert aufgerufen wird.

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