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Elite-Uni in Lauerstellung

Bald sollen die Sektkorken für die Wirtschaftswunder-Uni European School of Management knallen. Ansonsten ist es still um die Neugründung: Kein Plan, keine Profs, kein Pinselstrich am Staatsrat

von CHRISTIAN FÜLLER

Nur eins ist gewiss: Die in Berlin zu gründende „European School of Management and Technology“ (ESMT) wird im Oktober einen wunderbaren Gründungsakt begehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wird ins Staatsratsgebäude kommen und die Creme der deutschen Industrie, die Ziehväter der privaten Elitehochschule. Es wird viel Sekt geben und große Reden. Und wenn die große Sause vorbei ist, passiert erst mal – nichts.

Denn das ehrgeizigste akademische Projekt seit den Reformuniversitäten der Siebzigerjahre kommt derzeit nicht voran. Im Oktober wollten die Unigründer bereits beginnen, zunächst mit exklusiven Fortbildungen; bald sollten die ersten echten Studienprogramme in Business Administration folgen. Doch bislang gibt es fast gar nichts: Das Konzept für die Unigründung ist weder fertig noch beim Senat eingereicht. Es gibt keinen Professor, am Staatsratsgebäude wurde kein Pinselstrich vorgenommen, und auch der Träger der European School existiert noch nicht. „Die Stiftung wird im Oktober gegründet – voraussichtlich“, teilt Wulff Plinke lapidar mit. Der von der Humboldt-Universität beurlaubte Ökonomieprofessor ist der geistige Rektor der ESMT.

„Wenn das so wäre, dann stecken die in einer missliche Lage“, sagt Jürgen Kunze. Der Wirtschaftsprofessor ist gerade selber dabei, eine Hochschule in Lichtenberg zu gründen, die private OTA Hochschule des türkischen Unternehmers Erman Tanyildiz. „Eine Hochschule ist ein Gesamtkunstwerk“, räsoniert Kunze, „wir sitzen gerade daran, das zustande zu bringen.“ Der feine Unterschied zur ESMT: Kunze hat bereits das Placet des Senats, das Gebäude ist bezogen, Kunze hat ein Team.

Das ist bei Plinke anders. Der Mann, der früher an der Humboldt-Uni fleißig an Konzepten für ein bezahltes Wirtschaftsstudium feilte, muss sich wie ein Einzelkämpfer fühlen. 60 Topprofessoren aus aller Welt sollen die ESMT zu einer „der bedeutendsten Lehr- und Forschungseinrichtungen auf dem Kontinent“ machen, sagt der Koordinator der Gründungsinitiative der Wirtschaft, Thyssen-Chef Gerhard Cromme. Allen Superlativen zum Trotz gibt es bislang noch nicht mal einen Pförtner.

Die Muße, mit der die Wirtschaft die erhoffte Eliteschmiede entwickelt, ist kein Schein. Hinter der Fassade wird nicht etwa auf Hochtouren gearbeitet, „sondern es gibt keinerlei Vorstellungen, wie sie zu ihren Professoren kommen wollen“, berichtet ein Insider.

Dafür sind die Gründer umso selbstbewusster, wenn es um Ansprüche an das Land Berlin und den Bund geht. Das Staatsratsgebäude erhält die ESMT mietfrei, das ist ein monatlicher Zuschuss von rund 30.000 Euro. Ehe der erste von in Aussicht gestellten 125 Millionen Euro fließt, geht der Staat in Vorlage. Und weitere Ansprüche zeichnen sich bereits ab. Für den Umbau des Staatsratsgebäudes „müssen noch sehr detaillierte Gespräche mit dem Senat geführt werden“, ist aus dem Gründerkreis zu hören. Dem vom Berliner Abgeordnetenhaus zu beschließenden Promotionsrecht sehe man „mit Aufmerksamkeit entgegen“.

Was das heißt, haben die Bosse auf akademischen Abwegen vor wenigen Wochen deutlich gemacht. Die Hauptstadtbürokratie, so kolportierte der Wirtschaftsteil einer Berliner Zeitung dunkel ahnend, behindere das Millionenprojekt. Und weil niemand sagen konnte, wer eigentlich bremst, hieß es: „Das ist wie bei Kafka, es hakt in den Niederungen der Tagespolitik.“

Indes ist schon klar, wie sich der vermeintliche Stillstand bei den Behörden, die vergeblich auf die ESMT-Anträge warten, beheben ließe – mit Schröder. Der Bundeskanzler habe sich derart eingesetzt, sagt ein Industrieller, „dass wir absolut zuversichtlich sind: Der regelt das.“

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