WOHLSTAND IST KEIN WERT AN SICH – ENTWICKLUNG BRAUCHT DEMOKRATIE
: Menschenrechte für Tigerstaaten

Demokratie ist gut für die Entwicklungsländer, meint die UN-Entwicklungsabteilung UNDP in ihrem Jahresbericht. Dabei belehren Staaten wie Chile, China oder die asiatischen Tiger uns doch augenscheinlich eines Besseren: Diese Staaten haben hohe Wachstumsraten nämlich erst unter autoritären Regimen erreicht – Stichwort „Entwicklungsdiktatur“.

Bei der differenzierten Betrachtung des Berichts wird jedoch klar, dass die UNDP nicht den Erfolg von Entwicklungsdiktaturen verwirft, sondern vielmehr den Begriff Entwicklung um eine politische Dimension erweitert. Das UN-Programm definiert Demokratie als einen Wert an sich, der zur menschlichen Entwicklung gehört.

Das ist verdienstvoll, denn ein Land kann noch so reich sein, eine noch so gute Gesundheitsversorgung und einen noch so hohen materiellen Lebensstandard haben. Wenn Teile der Bevölkerung gänzlich von politischer Partizipation ausgeschlossen sind, kann man nicht von menschlicher Entwicklung sprechen. Doch so wichtig es ist, dass die Möglichkeit der Partizipation fortan Teil der Definition von Entwicklung ist: Die Befriedung materieller Bedürfnisse gehört nach wie vor auch dazu, und die Grundvoraussetzung hierfür ist Wirtschaftswachstum. Das zu erreichen, ist aber manchen autoritären Regimen tatsächlich besser gelungen als Demokratien – wenn auch zu hohen sozialen Kosten. Diktatoren können viel rücksichtsloser eine ausschließlich auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik durchsetzen als Regierungen, die sich wählen lassen müssen. Ökonomischen Erfolg nützen solche Herrscher dann, um ihre harte Hand zu rechtfertigen und dauerhaft zu etablieren.

Der Verdienst des UNDP-Reports liegt darin, anzuprangern, dass Wirtschaftswachstum dennoch keine Legitimationsbasis ist. Dass „Entwicklung“ eben nicht nur wirtschaftliche Entwicklung ist. Das heißt, dass auch neue „Tiger“ wie China sich erst dann ihrer hohen Entwicklung rühmen dürfen, wenn die Menschen dort ein Leben als mündige Bürger führen können. KATHARINA KOUFEN