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„Irgendwie muss es gehen“

Agnieszka C. lebt seit fast zehn Jahren von Sozialhilfe. „Eine Stelle finden mit zwei Kindern, das schaffen Sie sowieso nicht“, sagten die Arbeitsvermittler und schickten sie zum Sozialamt

von ANETT KELLER

Pizza-Heißhunger, Lesewut, Shopping-Orgien? Die „schönen Dinge des Lebens“ verkneift sich Agnieszka C. seit fast zehn Jahren. So lange ist die allein erziehende 29-Jährige bereits auf Sozialhilfe angewiesen. Zwei Kinder von zwei Männern, die beide keinen Unterhalt zahlen, eine abgebrochene Lehre – „schwer vermittelbar“, so der Stempel des Arbeitsamtes. Der Einstieg in die Sozialhilfe, 990 Euro haben Agnieszka und ihre Kinder zum Leben. Die Hälfte davon geht für die Miete drauf. Strom, Gas, Essen, Kleidung, Kindergartengeld schlucken den Rest. „Irgendwie muss es gehen“, sagt Agnieszka. „Wie sollte ich denn den Kindern Mut machen, wenn ich selbst den Optimismus verliere?“

Besonderen Bedarf, wie Möbel, darf Agnieszka eigentlich beim Sozialamt beantragen. Vor ein paar Wochen zog sie um, zweieinhalb Zimmer in Tegel. Zuvor hatten beide Kinder ein Zimmer geteilt. Zwei Betten, ein Tisch, ein Schrank. „Der war uralt, nur noch mit Nägeln zusammengezimmert“, sagt Agnieszka. Deshalb beantragte sie einen neuen und ein Regal für die Tochter, die nun ein eigenes Zimmer hat. Der zur Beurteilung von Agnieszkas Bedürftigkeit bestellte Prüfer vom Sozialamt kam – und schaute nur in die alte Wohnung. „Die neue wollte er gar nicht sehen.“ Ein Schrank wäre ja bereits da, mit dem Regal, das ließe sich überlegen, soll der Mann gesagt haben. Am Ende gab es keins von beidem, „alles schon vorhanden“, hieß es.

Eine Matratze als Möbel

„Das ist echt ’ne Schweinerei. Die tun, als müssten sie das aus ihrer eigenen Tasche bezahlen.“ Agnieszka ist verbittert. Für ihr eigenes Zimmer habe sie gar keine Ansprüche gestellt, da sei seit Jahren eine Matratze das einzige Möbelstück. Früher habe sie sich geschämt, Besuch einzuladen. Doch inzwischen weiß sie, „dass die, die mich wirklich kennen, Verständnis für meine Situation haben.“ Freunde schenkten ihr schließlich eine Kommode, damit das Spielzeug der Tochter nicht länger auf dem Fußboden verstreut werden musste.

„Mama, die anderen haben alle ein Handy!“ Mit diesem Vorwurf kam ihr zehnjähriger Sohn neulich nach Hause. Die Markendiskussion ist schon etwas älter. „Hauptsache, du bist sauber und deine Sachen sind in Ordnung“, sagt sie dann. Agnieszka bleibt hart, vor allem zu sich selbst. Die Wünsche der Kinder gehen vor, „dann verzichte ich lieber“.

Verzicht übt die Alleinerziehende in allen Lebenslagen. Kleidung kauft sie auf dem Flohmarkt, Lebensmittel nach Angeboten, Urlaub hat sie mit ihren Kindern noch nie gemacht. Vor vier Jahren sei sie das letzte Mal daheim in Polen gewesen.

Kurzzeitjobs

Als Vierzehnjährige war Agnieszka mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen. Doch von ihnen gibt es inzwischen keine Hilfe mehr. Vor zwei Jahren trennte sich Agnieszka vom Vater ihrer inzwischen fünfjährigen Tochter. „Wir waren sowieso immer allein, weil er in Polen wohnte“, sagt sie. Geld schickt er nicht, genauso wie der Vater ihres Sohnes. „Der könnte arbeiten, der will bloß nicht.“

Mit Halbtagsjobs versuchte Agnieszka jahrelang, die knappe Kasse aufzubessern. Sie putzte in einem Krankenhaus, kellnerte in einem Café. Versuchte sich als Haushaltshilfe bei einer Rentnerin und als Imbissverkäuferin. Alles nichts von Dauer. Von einer Freundin hörte sie schließlich von einer Umschulung zur kaufmännischen Sachbearbeiterin. „Doch ich musste richtig kämpfen beim Arbeitsamt, dass die mir das finanzieren“, erinnert sie sich. „Sie haben zwei Kinder, das schaffen Sie sowieso nicht“, hieß es im Amt. Sie schaffte die Umschulung. Kam danach über ein Praktikum zum Ost-West-Europäischen Frauennetzwerk (Owen). Die Initiative bietet ihr nun einen Hoffnungsschimmer. Eine befristete Stelle für ein Jahr, vom Bezirksamt finanziert. Noch lange kein Reichtum, aber Grund zum Aufatmen. Doch Owen steht selbst vor dem Aus, weil der Senat Fördergelder strich (die taz berichtete). So droht schon am Jahresende der erneute Gang zum Sozialamt. Es gibt nichts, was Agnieszka mehr fürchtet: „Ich werde alles tun und machen, dass ich da nie wieder hinmuss.“

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