: Israels Siedler sind zum Abzug bereit
Einer Umfrage zufolge würden sich sechs Prozent der Juden in Palästinensergebieten bewaffnet widersetzen
JERUSALEM taz ■ Mehr als zwei Drittel der jüdischen Siedler würden einer Regierungsentscheidung zur Evakuierung der Siedlungen widerspruchslos Folge leisten. Wie eine von der israelischen Friedensbewegung Peace Now in Auftrag gegebene Umfrage ergab, würden rund 26 Prozent versuchen, eine Evakuierung auf dem Rechtsweg zu verhindern.
Sechs Prozent der jüdischen Bevölkerung in den palästinensischen Gebieten erklärten, dass sie gegen eine solche Entscheidung auch mit illegalen Mitteln kämpfen wollten. Informationen von Peace Now zufolge können indes nur zwei Prozent der insgesamt 218.862 im Westjordanland und Gaza-Streifen lebenden Juden als Extremisten bezeichnet werden, die militärische Gewalt einsetzen würden.
Auf die größte Ablehnung von Lösungsmodellen, die entweder eine finanzielle Wiedergutmachung oder einen Wohnungstausch vorsehen, stieß die in Zusammenarbeit mit der Tel Aviver Universität durchgeführte Umfrage bei den Anhängern der National-Religiösen Partei. Dem entgegen erwiesen sich die weltlichen und die traditionellen Juden als besonders kompromissbereit. Für die meisten Siedler spielen ideologische Gründe weniger eine Rolle als die Lebensqualität, die bei 77 Prozent den Ausschlag für die Wahl ihres Wohnortes gab.
Für Peace Now ergibt sich aus den Umfrageergebnissen die logische Forderung an die Regierung, einen freiwilligen Abzug schon jetzt zu ermöglichen. Vorläufig besteht weder eine Wiedergutmachungsregelung noch die Möglichkeit von Ersatzwohnungen in Israel. Angesichts der Sicherheitslage sind die Wohnungen vor allem in kleineren Siedlungen, wenn überhaupt, nur mit deutlicher Wertminderung zu verkaufen. Die Friedensbewegung schlägt vor, einen Teil der Investitionen aus dem Staatshaushalt, die in den Aufbau von Siedlungen fließen, für Wiedergutmachungszahlungen freizustellen.
Jehuschua Ben-Nun, Sprecher des Dachverbandes der jüdischen Siedler, empfindet die Umfrageergebnisse als wenig überraschend. „Es ist klar, dass wir gegen eine Regierungsentscheidung nichts tun können“, meinte er auf telefonische Anfrage. Dass schon jetzt der Wunsch auf Wegzug bestünde, wollte er hingegen nicht bestätigen. „Die Bevölkerungszahl ist seit Beginn der Unruhen um acht Prozent gewachsen“, berichtet er. Das sei etwa zur Hälfte dem natürlichen Wachstum, zur anderen Hälfte dem Zuzug neuer Familien zuzuschreiben.
Einer Statistik des israelischen Innenministeriums zufolge wuchs die Zahl der Siedler in den vergangenen zwölf Monaten um gut 10.000 Menschen. Über die Hälfte davon sind Neugeborenen aus nur drei ultraorthodoxen Siedlungen. In 40 Siedlungen ist die Zahl der Bewohner zurückgegangen. Dazu gehören Maale Efraim im Jordantal und Emanuel in der Nähe von Nablus. In beiden Siedlungen war es wiederholt zu tödlichen Terroranschlägen gekommen. Die rund 80 illegal errichteten „Siedlungsvorposten“, in denen rund 1.000 Menschen leben sollen, finden in der Statistik des Inneministeriums keine Berücksichtigung. SUSANNE KNAUL
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