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Neue Schweine, neues Glück

Was wurde eigentlich aus dem Nitrofen-Skandal? Der Öko-Hof Dannwisch bei Elmshorn wird wohl überleben, seine Schweine taten es nicht. Bio-Läden sind weiter skeptisch, und die Konsumenten resignieren, vermutet die Verbraucherzentrale

Noch ist nicht ermittelt, wer nun Schuld hat. Das wird noch lange dauern.

Von SANDRA WILSDORF

Am Ende haben sie für die Schweine „Donna nobis pacem“ gesungen und sich mit Gedichten von ihnen verabschiedet. Alle waren dabei, die ganze Hofgemeinschaft, inklusive der Kinder. Am Tag danach wurden die Schweine „in größter Ruhe“ und „völlig in ihr Schicksal ergeben“ getötet. Geschlachtet, weil sie mit Nitrofen belastetes Futter gefressen hatten.

Für den demeter-Hof Dannwisch bei Elmshornwar dieser 17. Juli, an dem alle 61 Schweine gekeult wurden, ein rabenschwarzer Tag in einer langen Kette schwarzer Tage: Als vor zwei Monaten die Verbraucher zum ersten Mal von dem als Krebs auslösend verdächtigten Pestizid Nitrofen im Schweinefleisch erfuhren, da machte sich auch die Hofgemeinschaft Dannwisch Gedanken. Denn sie hatte im Mai wegen einer schlechten Ernte Futtergetreide zukaufen müssen, zum ersten Mal seit Jahren. Weil es anderen demeter-Höfen nicht besser ging, gab es aber auf dem Markt nur noch Biogetreide von der Norddeutschen Saat- und Pflanzgut AG, dessen Herkunft nicht mehr lückenlos nachvollziehbar war.

Am 10. Juni war es Gewissheit: Der Hof hatte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium um die Kontrolle der Schweine gebeten. Das Ergebnis: positiv. Damit war Dannwisch der erste demeter-Hof, auf dem Nitrofen gefunden worden war. Mit der schlechten Nachricht kamen die Kamerateams, „wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte Thomas Scharmer von der Hofgemeinschaft damals der taz hamburg.

So in der Defensive machen die Landwirte einen folgenschweren Fehler: Zu spät stellen sie fest, dass sie das verseuchte Futter nicht wie zuerst angenommen eine, sondern bereits drei Wochen verfüttert hatten. Die Schweine sind bereits verarbeitet und im Handel, es kommt zu einer aufwendigen Rückrufaktion. Damals steht im Raum, den Hof Dannwisch komplett zu sperren: „Das wäre das Aus gewesen“, sagt Scharmer. Doch die Kontrollen ergeben, dass nur die Schweine von dem Futter gefressen haben, deshalb wird nur dieser Bereich gesperrt.

„Wir werden das wohl überstehen“, glaubt Scharmer heute. Auch dank der Kunden und „ihrer großen Solidarität und ihres Vertrauens“. Einige von ihnen haben sogar Geld gespendet, so dass die Hofgemeinschaft zwei neue Zuchtsauen kaufen kann. Und ein befreundeter demeter-Landwirt aus Nordrhein-Westfalen hat sieben Ferkel geschenkt. „Es soll wieder vorwärts gehen“, sagt Scharmer. Ob und wann sie Schadenersatz für ihre Ausfälle erhalten, ist noch völlig unklar. „Die Schlachterei hat Ansprüche an uns gestellt und wir an die Mühle. Aber noch ist nicht ermittelt, wer an dem Ganzen denn nun Schuld hat, und das wird wohl auch lange dauern.“

Während das Verhältnis zu den Kunden in der schweren Zeit noch enger geworden ist, ist die Beziehung zur Hamburger Naturkostszene etwas getrübt. „Die haben zum Teil ihren Frust an uns ausgelassen“, sagt Scharmer, der sich in einer solchen Situation einen Schulterschluss der Branche gewünscht hätte.

Der fällt beispielsweise Peter Bielefeld von der Eimsbütteler „Kornmühle“ tatsächlich schwer: „Die haben einen Fehler gemacht.“ Und sie hätten sich nicht rechtzeitig um Futter bemüht: „Wenn ich eine schlechte Ernte hatte, dann weiß ich doch, dass ich irgendwann was zukaufen muss, und dass die Betriebe in der Gegend dann vermutlich auch nichts haben.“ Ob Nitrofen seinem Laden langfristig Kunden genommen hat, werde sich jedoch erst im Herbst zeigen. „Jetzt sind Sommerferien, da sind immer weniger Kunden da.“

Auch Britta Marten von „Schwarzbrot“ im Grindelviertel hofft noch, dass die derzeitige Ruhe im Geschäft nur mit den Ferien zu tun hat. Der Bioladen, der auf der Behördenliste stand, obwohl er in dem fraglichen Zeitraum gar kein Fleisch bezogen hatte, will nun doch auf Regressforderungen an die Behörde verzichten.

Bei der Verbraucher-Zentrale Hamburg ist Nitrofen kein großes Thema mehr. „Wir haben dazu nur noch etwa einen Anruf pro Tag“, sagt Ernährungsberater Armin Valet, der bei den Verbrauchern tiefe Resignation spürt: „Bei dem aktuellen Hormonskandal haben sehr viel weniger Menschen angerufen als bei Nitrofen.“ Er schließt daraus: „Es gab in letzter Zeit so viele Lebensmittelskandale, die Leute können einfach nicht mehr.“

Informationen zu Nitrofen gibt es auf der Internetseite der Verbraucherzentrale unter www.vzhh.de. Und der Hof Dannwisch lädt am 7. September ab 14 Uhr zum Herbst-Hoffest. Infos: www.hof-dannwisch

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