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„Die Leute brauchen uns“

Gabriele Brandt versteht die Welt nicht mehr. In zwei Tagen läuft ihre SAM-Stelle aus, weil der Senat die Gelder für ein Friedrichshainer Medienprojekt streicht. Aber der Kiez lebt von sozialen Projekten

von DANIEL SCHULZ

Zwei Tage noch, dann ist Schluss. Gabriele Brandt fürchtet sich vor dem 31. Juli. „An diesem Tag läuft meine SAM-Stelle aus, und ich bin arbeitslos“, sagt sie. „Wenn ich nur daran denke, wieder zu Hause rumzusitzen, macht mich das ganz krank.“

Sparen und umschichten ist des Senats oberste Devise, und deshalb kassiert die rot-rote Landesregierung bis 2003 viele der Berliner Strukturanpassungsmaßnahmen, kurz „SAM“. Diese sind neben den Arbeistbeschaffungsmaßnahmen (ABM) die klassischen Instrumente auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Weil SAM meist für drei Jahre bewilligt werden, können die Träger, die SAM-Kräfte einsetzen, im Gegensatz zu den einjährig eingesetzten ABM-Kräften längerfristig planen.

Deshalb leiten SAMler wie Gabriele Brandt auch meist soziokulturelle Projekte. Drei Jahre koordinierte die 53-Jährige das gemeinnützige Medienprojekt Vigra im Stralauer Kiez in Friedrichshain. Zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen erstellte sie Websites für Vereine und Polizei, ließ Ausstellungskataloge aufstrebender Künstler zum Materialpreis herstellen, brachte alten Menschen den Umgang mit dem Computer bei und unterstützte Projekte im ganzen Kiez.

Aber auch die sind von den Kürzungen betroffen. Im einzigen Jugendclub E-Lok musste Mitte Juli eine Erzieherin gehen, die sich vor allem mit straffällig gewordenen Jugendlichen beschäftigte. Im Nachbarschaftsladen Trave Treff ist die Finanzierung zweier Stellen seit Mai ausgesetzt. Ob es dort weitergeht, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Und auch im Kiezladen am Rudolfplatz laufen drei SAM-Stellen aus. „Das hier ist eine sozial schwache Gegend, die Leute brauchen uns“, sagt Gabriele Brandt. „Aber das wird wahrscheinlich nicht zählen.“

Denn Arbeitssenator Gregor Gysi (PDS) will SAM- und ABM-Stellen radikal zusammenstreichen und die Arbeitsmarkförderung auf andere Maßnahmen konzentrieren. Vor allem auf solche, bei denen Betriebe des ersten Arbeitsmarkts Lohnkostenzuschüsse für neu eingestellte Arbeitslose erhalten. „Eine überwiegend im Sozialbereich angesiedelte Beschäftigungsstruktur in temporären Arbeitsmarktmaßnahmen führte nicht in begrüßenswertem Umfang zu dauerhaften Eingliederungen in das Erwerbsleben“, sagte Gysi-Sprecherin Brigitte Schmidt zur Begründung. Ein paar Tage zuvor hatte ihr der Abteilungsleiter in der Arbeitsverwaltung, Hans-Georg-Reimann, den Richtungswechsel in der Arbeitsmarktpolitik mit den Worten kommentiert: „Der Trend geht weg vom Sozialen.“ Im Klartext: Von den SAMlern finden zu wenige einen richtigen Job.

Für Gabriele Brandt ist diese Begründung keine: „Dieser erste Arbeitsmrkt ist doch für uns nichts weiter als eine riesengroße Blase.“ „Mit meinen 53 Jahren werde ich außer über Arbeistförderung doch keinen Job mehr finden. Hier tue ich etwas, hier werde ich gebraucht, aber man schickt mich nach Hause.“

Ähnlich geht es vielen SAMlern in den Stralauer Projekten. Die meisten sind über 50 Jahre alt, viele körperlich gehandikapt. Hoffnung auf eine neue Arbeit haben sie kaum. Der hörgeschädigte Heinz-Detlev Schreiber, der im Rahmen von Vigra Texte über Rechtsextremismus auf CD-ROM bringt, meint gar, ihm bleibe mit seinen 56 Jahren nichts, als sich aufzuhängen.

Einfach aufgeben wollen aber viele im Stralauer Kiez nicht. „Ein halbes Jahr lang mache ich meine Arbeit ehrenamtlich weiter“, sagt Gabriele Brandt. Und solange das Geld reicht, wollen viele entlassene Kollegen mitmachen. Denn die meisten brauchen das eigene Projekt mindestens ebenso sehr wie der Kiez.

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