: Ihr Kontostand: 28 Stunden
Die neue Broschüre der Senatorin für Arbeit beschreibt 22 flexible Arbeitszeitmodelle. Neben Konzepten für Überstundenkonten enthält sie Teilzeitmodelle und Ideen für neue Arbeitsplätze
Schon morgens fängt es an: Wegen des Gedrängels an der Stechuhr sollte man gleich zehn Minuten früher zur Arbeit fahren, und auf’s Mittagessen kann sich auch nicht recht freuen, wer in der endlosen Schlange an der Kantinentheke steht. Dann lässt auch noch der Feierabend auf sich warten, wenn alle Kollegen gleichzeitig ihr Auto aus der Parkplatzausfahrt lenken wollen.
Die nervenaufreibenden Konstanten starrer Arbeitszeiten behindern Beschäftigte wie Unternehmer, da sind sich alle einig. Eine ganze Sammlung alternativer Modelle stellte Arbeitssenatorin Karin Röpke (SPD) gestern vor. Von Großarbeitgebern wie den Bremer Stahlwerken mit 4.800 Mitarbeitern bis zu mittelständischen Betrieben wie der Helmut Rodiek Installation GmbH & Co. KG mit 18 Beschäftigten präsentieren 22 Unternehmen ihre Ideen unter dem Namen „Neue Arbeitszeitmodelle in Bremen und Bremerhaven“. „Natürlich sind die Lösungen auf die jeweiligen Betriebe zugeschnitten“, so die Senatorin. Aber wegen der vielen vorgestellten Konzepte fände jedes Unternehmen ein geeignetes Modell.
Das wichtigste Instrument der Flexibilisierung ist meist das Arbeitszeitkonto: Die Beschäftigten können in einem bestimmten Rahmen selbst entscheiden, wann und wie viel sie arbeiten. Überstunden werden dann nicht mehr ausbezahlt, sondern als zusätzlicher Urlaub verbucht. „Bei unserer 35-Stunden Woche“, so Airbus-Personalchef Gerd Gerdes, „können unsere Arbeitnehmer monatlich zwischen 35 Minusstunden und 70 Überstunden machen.“ Außerdem könnten die Beschäftigten selbst wählen, wann zwischen sechs Uhr morgens und sieben Uhr abends sie kämen und gingen. „Die Arbeiter kommen morgens lieber früher, während die Ingenieure oft bis sieben Uhr bleiben“, so Gerdes.
Unternehmer profitieren von dem Modell, weil sie so zyklische Schwankungen ausgleichen und nachfrageorientiert arbeiten können. Arbeitern und Angestellten ermöglicht es eine freiere Zeiteinteilung als beim bisherigen Schichtdienst oder Sieben-Stunden-Tag. Selbst die Arbeitslosenquote soll durch das Wundermittel gesenkt werden: Weil die Beschäftigten für Überstunden nicht mehr bezahlt würden, aber stattdessen Freizeit hätten, schafften die Firmen neue Arbeitsplätze, hofft die Senatorin.
Die Gewerkschaften begrüßen das Konzept: „Solange Arbeitszeitkonten nicht nur dazu genutzt werden, Überstundenzulagen und Neueinstellungen zu vermeiden, stehen wir dahinter“, so Dieter Reinken von der IG Metall, deren Mitglieder bei vielen der 22 Unternehmen arbeiten. Für die Arbeitnehmer sei es gut, ihre Zeit autonom einteilen zu können, so Reinken.
Arbeitszeitkonten sind aber nicht die einzige Idee, die die vorgestellten Unternehmen hatten: Allein Stehenden mit Kindern oder Müttern, die wieder in den Beruf einsteigen wollen, helfen Teilzeitmodelle: Im Rahmen ihres bestehenden Vertrages können sie für eine festgelegte Zeit weniger arbeiten. Im Zentralkrankenhaus Bremen-Ost zum Beispiel, mit 2.200 Beschäftigten einer der großen Arbeitgeber in Bremen, arbeiten viele Frauen, die ein solches Modell ebenso nutzen wie ArbeiterInnen bei DaimlerChrysler in Hemelingen.
Das Lidice-Haus geht einen ganz anderen Weg: Die Pädagogen, die Jugendliche und Sozialarbeiter fortbilden, verzichten auf ihr Weihnachtsgeld und haben dafür 20 Tage länger Urlaub. Das eingesparte Geld wird für neue Ausbildungsplätze verwendet.
Sebastian Kretz
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