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Der schwarze Peter wird eifrig geschoben

Brandenburger und Berliner Politiker wechseln sich mit Schuldzuweisungen an die Ermittlungsbehörden des Nachbarlandes ab. Nur wenige verlangen zügige Aufklärung der Enttarnung des Informanten Toni S.

Der Fall Toni S. führt inzwischen auch zu schweren Missstimmungen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg. Laut einem gestrigen Bericht der Märkischen Allgemeinen wirft Potsdam der Berliner Justiz vor, den V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes bewusst enttarnt zu haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft habe seit Monaten über den Informanten Bescheid gewusst, zitierte das Blatt Potsdamer Regierungskreise.

Besonders groß ist die Empörung in der brandenburgischen CDU. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Potsdamer Landtag, Sven Petke, sprach von einem „Skandal“. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Dierk Homeyer, sagte, die Verhaftung von Thilo S. sei eine Katastrophe.

Der 27-jährige Cottbusser Toni S. – in der Presse meist Thilo S. genannt – war vorvergangenes Wochenende bei einer Razzia in der rechtsradikalen Musikszene festgenommen worden. Bei den Vernehmungen soll er sich selbst als Spitzel enttarnt haben. Unabhängig davon sollen die Berliner Ermittler aber schon vorher darüber informiert gewesen sein, dass Toni S. V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes war. Die Razzia war nach Angaben des Innenministeriums in Potsdam nicht mit den Behörden in Brandenburg abgestimmt. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) habe darauf verärgert reagiert. Sein Sprecher Heiko Homburg sagte, die unkoordinierte Aktion der Berliner habe Ermittlungen des märkischen und eines ausländischen Dienstes gegen rechtsextreme Musikhändler massiv gefährdet.

Die Berliner Justizverwaltung wies die Vorwürfe, die sich vor allem gegen die Staatsanwaltschaft richten, gestern als nicht gerechtfertigt zurück. „Das Gesetz sieht nicht vor, sich vor Durchsuchungsaktionen mit anderen Behörden abzusprechen“, sagte Ariane Faust, Sprecherin von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD), „im Gegenteil, es gibt eine Geheimhaltungspflicht.“ Ähnlich äußerte sich der rechtspolitische Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, Klaus-Uwe Benneter. „Nicht die Berliner Polizei hat den V-Mann enttarnt, sondern der sich selber. Da fehlt es offenbar an entsprechenden Instruktionen an die V-Leute“, kritisierte Benneter. Die Brandenburger versuchten nach dem Mottto „Haltet den Dieb“ eigene Unzulänglichkeiten zu verschleiern.

Scharfe Kritik, allerdings nicht nur in Richtung Berlin, kam gestern von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg lässt erheblich zu wünschen übrig“, monierte der Brandenburger Landesbezirksvorsitzende Andreas Schuster. Nach seiner Kenntnis hat die Berliner Justiz bis nach der Razzia nichts von dem Mann gewusst.

Nach Ansicht des PDS-Fraktionsgeschäftsführers Heinz Vietze zeigt die Affäre, dass der Verfassungsschutz als Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus untauglich ist. Das peinliche Vorgehen der „Laienspielertruppe“ des Brandenburger Verfassungsschutzes sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Christoph Schulze (SPD), der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission in Brandenburg, die sich auch mit dem Fall beschäftigen wird, drängte auf eine zügige Aufklärung der Hintergründe.

Dem schloss sich der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, an. Da sei jemand „äußerst dilettantisch“ vorgegangen, sagte Ratzmann. Ob Toni S. absichtlich enttarnt wurde, könne er nicht beurteilen. Er führt die Ermittlungspanne aber auch auf das schwierige Konkurrenzverhältnis der Brandenburger und der Berliner Verfassungsschutzbehörden zurück. „Die Sache zeigt wieder einmal, wie fragwürdig der Einsatz von V-Männern ist.“ JÖRN KABISCH

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