piwik no script img

Pläne für Direktangriff auf Bagdad

In Washington werden offenbar Pläne für einen Luftangriff auf Bagdad diskutiert, um so einen großen US-Truppeneinmarsch vermeiden zu können. Gleichzeitig gibt es auch im US-Militär viele Stimmen, die vor einem Angriff gegen Irak warnen

NEW YORK/STOCKHOLM rtr/dpa/taz ■ In der US-Regierung kursieren laut New York Times Pläne, wonach bei einem Angriff auf Irak zuerst die Hauptstadt Bagdad, wichtige Kommandozentralen und Waffendepots eingenommen werden sollen. Unter Berufung auf hohe Kreise im Pentagon schrieb das Blatt gestern, so solle Iraks Präsident Saddam Hussein rasch gestürzt werden. Ziel sei es, ihn zu isolieren oder zu töten und einem Einsatz irakischer Massenvernichtungswaffen zuvorzukommen. Das Pentagon wollte den Bericht laut dem Blatt nicht kommentieren.

Ein solcher Plan nutze die Fähigkeit des US-Militärs, über große Entfernungen hinweg anzugreifen. Der Einsatz von 250.000 ursprünglich kalkulierten Soldaten könne so vermeiden werden. Der Plan ermögliche es, Iraks stark zentralisierte und autoritäre Kommandostruktur zu zerstören. Offiziere der mittleren Ebene hätten nicht gelernt zu improvisieren, sollten sie von ihren Kommandeuren abgeschnitten sein. US-Präsident George W. Bush oder seinen Sicherheitsberatern sei aber noch kein formeller Plan vorgelegt worden.

Bush hatte Irak, Iran und Nordkorea als „Achse des Bösen“ bezeichnet und Bagdad vorgeworfen, nach Massenvernichtungswaffen zu streben. Bush hatte erklärt, Saddam Hussein stürzen zu wollen.

Erst am Sonntag hatte die Washington Post berichtet, dass hohe US-Militärs eine weitere Politik der Eindämmung gegenüber Irak für erfolgversprechender halten als einen US-Angriff mit dem Ziel des Regimesturzes. Die Bedenken der US-Militärs hätten dazu geführt, dass ein Angriff auf Irak inzwischen frühestens im nächsten Frühjahr für möglich gehalten werde. Am Mittwoch beschäftigt sich der US-Kongress mit dem Thema.

Der frühere Chef der UN-Waffenkontrolleure im Irak (Unscom), der schwedische Diplomat Rolf Ekéus, warf gestern den USA vor, die UN-Waffeninspektionen im Irak zur Spionage benutzt zu haben. Die Stockholmer Zeitung Svenska Dagbladet zitierte Ekéus mit den Worten, die US-Regierung habe versucht, durch „Infiltration“ der Unscom mit zwei Agenten die Aufenthaltsorte Saddam Husseins zu erfahren. „Sie wollten das für ihre eigenen Interessen wissen, etwa in dem Sinne, um sich Saddam Husseins zu entledigen“, erklärte Ekéus gestern.

Neue Vorwürfe müssen sich die USA auch in Afghanistan anhören. So berichtete gestern die in London erscheinende Times, dass US-Soldaten nach dem versehentlichen Angriff auf eine südafghanische Hochzeitsgesellschaft am 1. Juli mit 48 Toten womöglich Beweise verschwinden ließen. Dies gehe aus einem vorläufigen Untersuchungsbericht der UNO hervor, der dem Blatt vorliege. Kurz nach dem Angriff seien US-Soldaten in dem beschossenen Dorf aufgetaucht und hätten Geschosse und Blut beseitigt. Die UN-Ermittler hätten auch keine Hinweise darauf gefunden, dass die US-Flugzeuge wie behauptet beschossen worden seien.

Der dortige US-Einsatz galt ursprünglich dem Talibanführer Mullah Omar. Ihn haben die US-Truppen bisher so wenig ausfindig machen können wie den Al-Qaida-Führer Ussama Bin Laden. Gestern berichtete die in London erscheinende arabische Zeitung Asharq Al-Awsat unter Berufung auf „informierte Quellen“, Bin Laden habe mittlerweile das Kommando auf seinen ältesten Sohn Saad übertragen. HAN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen