: Drägers fantastisches Team
Wissenschaftssenator beruft fast ausschließlich Experten der Wirtschaft in Hochschul-Strukturkommission. McKinsey-Berater sollen dafür sorgen, dass der Bericht in vier Monaten fertig ist. Kritik von Lüthje: Geisteswissenschaften kaum vertreten
von KAIJA KUTTER
Monatelang war sie geheim, gestern nun stellte Wissenschaftssenator Jörg Dräger die Expertenkommission vor, die bis Ende November ein Gutachten über die Hamburger Hochschullandschaft erstellen soll. Es sei, so Dräger, ein „fantastisches Team“. Gleich einem „Domino-Effekt“ habe sich eine Persönlichkeit nach der anderen bereitgefunden. Dräger verwies zur Einstimmung noch einmal auf das schlechte Abschneiden Hamburgs beim jüngsten Ranking. Er habe das Ziel, Hamburg in zehn Jahren unter die „Top 3“ aufsteigen zu lassen.
Dazu passt, dass Detlef Müller-Bölling vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), dabei ist, das ebendiese Rankings konzipiert und durchführt. Der Chef des von der Bertelsmann-Stiftung finanzierten CHE gilt in Studentenkreisen als der „der Motor der neoliberalen Hochschulpolitik“. Auch die übrigen neun, darunter eine Frau, zeichneten sich dadurch aus, dass sie in ihrer Karriere mal kurze Zeit Hochschullehrer, aber überwiegend für die Wirtschaft tätig waren. Ausnahmen bilden der Berliner Kunsthochschulpräsident Lothar Romain und der ehemalige Frankfurter Fachhochschul-Chef Schneider (siehe unten).
Um die Kommission gab es im Vorwege viel Aufregung, unter anderem, weil die Hochschul-Präsidenten im viel zitierten „Letter of Intent“ ihre Unterstützung zusicherten und der Kommissionsauftrag arg marktorientiert formuliert ist. Dazu passt, dass die Unternehmsberaterfirma McKinsey nun die Kommission „in ihrer Arbeit unterstützen“ und dafür sorgen soll, dass der Abschlussbericht in vier Monaten fertig ist. Als „Auftraggeber“ von McKinsey fungieren Zeit- und Körber-Stiftung.
Als Arbeitsgrundlage erhält die Kommission zwei Papiere. In einem von McKinsey erstellten Bericht soll der „gesellschaftliche Bedarf“ der Metropolregion Hamburg an die Hochschulen formuliert werden, so Dräger. Die Grundlage dafür seien die vonMcKinsey verfasste Hamburg-Studie „Vision 2020“ und das Senatskonzept der „wachsenden Stadt“. Bereits abgefragt und von der Behörde in einem „Statusbericht“ zusammengefasst, sind Ist-Zustand der Hochschulen und deren Visionen für das Jahr 2010.
Uni-Präsident Jürgen Lüthje lobte gestern diplomatisch, die Kommission sei mit „hervorragenden Fachleuten besetzt“, kritisierte aber, dass die „geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer“ kaum vertreten seien.
Die „einseitige Zusammensetzung“ bemängelten auch AStA-Sprecher von Uni und HWP. „Die Kommission ist völlig inakzeptabel“, sagte Martin Dolzer von der HWP. „Bei der Zusammensetzung stehen die Ergebnisse schon fest“, glaubt Uni-AStA-Referent Christian Schomann.
Auch die ehemalige Vize-Präsidentin der Uni, Barbara Vogel, findet die Zusammensetzung bedenklich. Sie ist eine von 191 ProfessorInnen, die in einem öffentlichen Brief gegen Drägers zweites großes Projekt protestierten: Das „Hochschulmodernisierungsgesetz“, das die akademische Selbstverwaltung abschaffen und im Frühjahr 2003 in Kraft treten soll. Just dann, wenn aus den Empfehlungen der Kommission politische Entscheidungen abgeleitet werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen