: Hin und weg in Alt-Stralau
Wagenburg sucht neue Heimat auf altem Fabrikgelände. Die Polizei räumt schon vor dem ersten Abend
Vier Einsatzwagen vorm Tor, Polizisten säumen den zugewachsenen Weg ans Spreeufer des ehemaligen Stralauer Werftgeländes. Gregor* schnürt gerade eine mit grünem Plüsch bezogene Rolle zusammen. Der Stiel einer fünf Meter hohen Blume, ihr orangefarbener Plüschkopf liegt ein paar Meter weiter.
„Das war unser Friedenszeichen“, sagt Gregor. Erst am Morgen hatten die Rollheimer ihre Blume ausgepackt, nach ihrem Umzug auf das Gelände mit der Adresse Alt-Stralau 37. Ein halbes Jahr hätten sie nach einem Platz gesucht, sagen die insgesamt 15 WagenbewohnerInnen. Die Alt-Stralauer 37 sei „ideal für Leute, die anders leben wollen“, so Sprecher Dirk Westphal. Weitläufig, am Wasser, ohne direkte Nachbarn, sogar Rampen zum Reparieren der Wagen gibt es auf dem verfallenen Fabrikgelände.
Auf dem seit zwölf Jahren ungenutzten Gelände wollten sie ihre Wagenburg Convoi Constructions aufbauen. Ein gleichnamiger Verin ist in Gründung. „Lebensglück auf Rädern“ steht im Kopf des Pachtvertrages, den sie an den Besitzer, eine englische Baufirma schickten. Bislang gab es von dort noch keine Antwort. Trotzdem wollten die Rollheimer das Gelände nutzbar machen. Den Müll wegräumen, Flächen bepflanzen, Raum schaffen für Kunst-, Musik- und politische Projekte“, sagt Sarah* vom Convoi.
Ein klarer Fall von Besetzung war es für die Polizei, die das Gelände ab Mittag räumte. „Überfallmässig und aggressiv“ sei das Verhalten der Polizisten gewesen, sagen die Rollheimer. Kein Spielraum für Verhandlungen, keine Alternativangebote, die Polizei sei auf den Platz gestürmt, habe sie festgesetzt und alle Personalien aufgenommen. Danach mussten die WagenbewohnerInnen einpacken.
Für Einsatzleiter Uwe Ulbricht war es ein „nicht normenkonformer Zustand“, den er mit seinen Einsatzkräften beendet hat. Auf dem Platz und auf der Straße wimmelt es von Polizisten. So viel Aufwand für 15 Leute? „Man kann ja nie wissen, was denen da einfällt“, sagt ein Beamter.
In vier Liegenschaftsstücke sei das Gelände aufgeteilt, sagt Convoi-Sprecher Westphal. Eines davon gehöre der englischen Firma. Deren deutscher Verwalter habe zwar vor zwei Monaten gesagt, dass er sie nicht dulde, ihnen aber am Tag der Räumung versichert, er habe diese nicht bei der Polizei beantragt. Die sagt, es sei ein Insolvenzverwalter gewesen. Doch dem obliege nur die Verwaltung des Grundstücks, das vor dem alten Werftgelände liegt, heißt es von Convoi. Ein weiterer Teil des Geländes soll im Besitz des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg sein. Dort wurde den Rollheimern per Telefon Unterstützung zugesagt – allerdings ohne Folgen. ANETT KELLER
*Name von der Redaktion geändert
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