Kopfweh bei Bayer

Gewinneinbruch: Der Pharma- und Chemiekonzern krankt immer noch am Lipobay-Skandal. Jobs fallen weg

BERLIN taz ■ Der Optimusmus von Werner Wenning wirkte schon ein wenig angekratzt. Er wolle den Chemie- und Pharmariesen im kommenden Jahr auf einen nachhaltigen Wachstumspfad bringen, erklärte der neue Vorstandschef der Bayer AG gestern bei seiner Halbjahresbilanz. Die ersten sechs Monate des Jahres sahen allerdings gar nicht danach aus. Nachdem sich der Gewinn schon 2001 halbiert hatte, ist er nun um weitere 19 Prozent auf 900 Millionen Euro eingebrochen. Schon gegengerechnet dabei: der – steuerfreie – Ertrag von 800 Millionen Euro aus dem Verkauf der 30-prozentigen Restbeteiligung an Agfa. Der Umsatz sank um 7 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro. Die Analysten bei Morgan Stanley erklärten das Ergebnis zur „bisher größten Enttäuschung des europäischen und US-Chemiesektors“.

Wenning erinnerte denn auch daran, dass er schon bei seinem Amtsantritt im April von einer „Übergangsphase 2002“ gesprochen hatte. Und die könne länger dauern Schließlich falle der große Umbau des Konzerns nun ausgerechnet mit einer verlängerten Konjunkturflaute zusammen. Für den Rest des Jahres sehe er „keine Anzeichen für einen spürbaren Aufschwung“.

Neben der schlechten gesamtwirtschaftlichen Stimmung ist aber auch ein hausgemachter Faktor für das schwache Bayer-Ergebnis verantwortlich. So schlägt der Lipobay-Skandal des letzten Jahres jetzt erst richtig durch. Damals musste Bayer den Verkaufsschlager in seiner Pharmasparte, den Cholesterinsenker Lipobay, aus dem Verkehr ziehen, nachdem er mit mindestens 100 Todesfällen weltweit in Verbindung gebracht worden war. In dem halben Jahr davor hatte der Konzern mit dem Medikament immerhin 522 Millionen Euro verdient. Zu dem Ertragsausfall kommt das Risiko: Rückstellungen sind fällig. Allein in den USA sind weit über 600 Klagen anhängig. Experten rechnen damit, dass Bayer bis zu 3 Milliarden Euro zahlen muss. Dabei heißt es schon jetzt im Management, die Umsatzrendite der Gesundheitssparte sei „sehr unbefriedigend“.

Gleichzeitig muss Wenning den bereits begonnenen Umbau vorantreiben. Seit dem 1. Juli sind die Bereiche Pharma/Gesundheit, Pflanzenschutz, Chemie und Polymere eigenständige Tochtergesellschaften. Das ist der grundlegendste Umbau in der Bayer-Geschichte. Und nicht nur im Pharmabereich, sondern auch in den anderen Sparten gibt es Probleme: So muss beim Pflanzenschutz die Aventis Crop Science integriert werden.

Wenning setzt jetzt vor allem auf seine Radikalkur, mit der er allein 2002 500 Millionen Euro sparen will. Zusätzlich zu den im Oktober angekündigten 4.000 Stellenstreichungen sollen weitere 1.300 Jobs wegfallen. Mehr Gewinn, das weiß auch Wenning, wird Bayer in diesem Jahr aber lediglich mit dem Verkauf von Unternehmensteilen machen.

BEATE WILLMS