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Die PDS macht sich Mut: „Jetzt erst recht“

Die Parteispitze reagiert betont gelassen auf Gysis Rücktritt und rüstet sich zum Kampf für den Wiedereinzug in den Bundestag

BERLIN taz ■ Die PDS ohne Gregor Gysi, das ist wie die grüne Partei ohne Joschka Fischer, wie die SPD ohne Willy Brandt. Kein anderer Politiker der Sozialisten ist auch nur annähernd so bekannt wie der am Mittwoch abgetretene Senator und frühere Parteichef. Also war es nicht erstaunlich, dass seine Genossen erst einmal geplättet reagierten, als sie von Gysis Rückzug hörten. „Das ist ein Schock“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Bauminister Helmut Holter. Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Roland Claus, sprach von einem „schweren Schlag“. PDS-Chefin Gabi Zimmer räumte ein, sie sei „sehr emotional bewegt“.

Die spontanen Äußerungen zeigten, wie sehr sich die Partei auf ihr einziges Zugpferd verlassen hatte. Holter meinte vorgestern gar: „Unsere Strategie für die Bundestagswahl muss jetzt neu geordnet werden.“ Doch schon am Tag danach hatten sich die Spitzengenossen beruhigt. Bloß keine Panik, das Leben geht auch ohne Gysi weiter. Auf diese Sicht der Dinge einigte sich der Bundesvorstand der PDS auf einer eilends einberufenen Krisensitzung in Berlin.

Mit zur Schau getragener Gelassenheit gingen Zimmer und Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch vor die Presse. Die Reaktionen von der Basis hätten sie bestärkt, „jetzt erst recht“ für den Wiedereinzug in den Bundestag zu kämpfen, sagte eine Gabi Zimmer, die sich kaum noch anmerken ließ, wie sehr sie Gysis Rücktritt überrascht und überrumpelt hatte. Für einen Strategiewechsel gebe es „keinen Grund“. Erst auf Nachfrage gestand Zimmer ein, „dass wir auch ein bisschen sauer sind auf Gregor Gysi“. Dass sie den Rücktritt wegen der paar Bonusmeilen für „überzogen“ hielt. „Wir alle haben das für falsch gehalten“, sagte ihre Stellvertreterin Petra Pau, die ebenso wie Zimmer und Bartsch vergeblich versucht hatte, Gysi zum Verbleib im Amt zu drängen. Doch mit Exfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) wollte die PDS-Chefin ihre Gallionsfigur nun wahrlich nicht vergleichen: „Sich einfach davonzustehlen, das ist nicht Gregor Gysi“, betonte Zimmer, seine Entscheidung sei zu „respektieren“. Außerdem gehe sie davon aus, „dass er uns auch weiterhin im Wahlkampf zur Verfügung steht“.

Manches von der Gelassenheit mag gut gespielt sein. Doch ganz unglaubwürdig ist es nicht, dass PDS-Wahlkampfchef Dietmar Bartsch behauptete: „Ich habe auch schon schwierigere Situationen in der PDS erlebt.“ Die Partei hat inzwischen eine gewisse Routine entwickelt, wenn es darum geht, mit den überraschenden Rücktritten ihres Stars und Mediendarlings umzugehen. 1993 schmiss Gysi das Amt als Parteichef hin, im Jahr 2000 gab er den Fraktionsvorsitz ab. „Damals hieß es auch, wir sind am Ende“, sagte Bartsch „und heute stehen wir besser da als jemals zuvor.“

Welchen Einfluss Gysis Abgang auf die Wahlchancen der PDS hat, ist für Bartsch „im Bereich der Spekulation“. Sicher ist nur: Ganz so intensiv wie früher hätte sich Gysi ohnehin nicht im Wahlkampf engagiert, weil er vor allem mit seinem Zeit raubenden Amt in Berlin beschäftigt war. „Es fehlt seine Leichtigkeit, Integrationskraft und Fähigkeit, Medien zu nutzen“, sagte PDS-Vordenker André Brie schon vor zwei Wochen. Was damals beklagt wurde, gilt der PDS jetzt als Argument, dass Gysis Rücktritt nicht so schlimm ist. LUKAS WALLRAFF

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