Wahlen am 3. November

Türkisches Parlament beschließt Termin. Abgeordnete debattieren auch über umfassende EU-Reform-Gesetze

ISTANBUL taz ■ Seit Anfang dieser Woche tagt das türkische Parlament in einer geradezu historischen Marathonsitzung. Nachdem am Mittwochabend eine große Mehrheit für vorgezogene Neuwahlen am 3. November votiert hatte, begann gestern die Debatte um ein umfassendes Reformpaket, mit dessen Verabschiedung die Türkei die Voraussetzungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU schaffen will.

Dabei geht es im Kern um drei zentrale Komplexe. Die Abschaffung der Todesstrafe, das Verhältnis zu den Bürgern kurdischer Abstammung und die Stärkung der Rechte des Individuums. Die Gesetze über Änderungen vorhandener Vorschriften sollen nun noch vor den Wahlen im November durchs Parlament gebracht werden.

Dabei besteht die erste Überraschung bereits darin, dass die Debatte überhaupt noch zustande gekommen ist. Sämtliche Kommentatoren waren sich noch Ende letzter Woche einig, dass nach einem Beschluss zu vorgezogenen Neuwahlen kein Parlamentarier mehr dazu zu bewegen sein wird, über ein Reformpaket zu diskutieren. Stattdessen wurde dieses aber noch am gleichen Tag, an dem im Plenum über Neuwahlen abgestimmt wurde, im zuständigen Justizausschuss abgestimmt. Seit gestern wird nun im Parlament konkret über die Abschaffung der Todesstrafe, muttersprachlichen Unterricht in Kurdisch und kurdischsprachige Sendungen im Staatsfernsehen geredet und demnächst auch entschieden.

Dazu sollen das Pressegesetz liberalisiert und Strafvorschriften wie „Beleidigung von Staatsorganen“ so verändert werden, dass Kritik an Polizei und Militär nicht mehr verfolgt wird. Kritiker haben moniert, dass auch die jetzt vorgeschlagenen Formulierungen noch breiten Raum für staatliche Repression lassen. Bereits zu Beginn der Debatte stimmte die Mehrheit dafür, die Sitzung notfalls auch ins Wochenende hinein zu verlängern, falls bis Donnerstagabend 22 Uhr keine Entscheidung gefallen sei. JÜRGEN GOTTSCHLICH