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Erfolgreiche Runde drehen

Team Eisliebe will im Jedermann-Rennen der Cyclassics den Ehrgeiz nicht vor Spaß verlieren. Cluster Yuppies und Cluster Ethnologen wollen Lena Gruber unter die zehn besten Seniorinnen führen

von OKE GÖTTLICH

Sonntag, 8.30 Uhr, Startblock N in der Steinstraße. Im Jedermann-Rennen über 115 Kilometer tritt das Team Eisliebe nicht gegen Profis wie Erik Zabel an. Auch nicht gegen PR-süchtige Prominente aus Politik und Showgeschäft, die nur 60 Kilometer schaffen. Ihre GegnerInnen warten unter 7979 Semi-Ehrgeizigen.

Die Ziele des Teams sind klar definiert. Jeden Sonntag ging es bei Wedel an den Deich um auf 75 Kilometern Kraft zu tanken. Kraft, um die Teamchefin Lena Gruber unter die ersten zehn Fahrerinnen der Seniorinnen-I-Klasse zu führen. „Wir sind nicht nur zum Spaß da“, bringt Jochen Becker die Ambitionen des Teams auf den Punkt.

Ambitionen, die durch Auftritte bei sogenannten RTF-Rennen über 120 Kilometer im Umland noch gestärkt wurden. „Wir sind da schon positiv aufgefallen“, glaubt Friedemann. Obwohl bei ihr die Hose vor dem Rennrad existierte. Erst als ihre Wohnungsnachbarin und TeamgefährtInnen Lena Gruber und Bahns Behrens ihr eine professionelle Radlerhose schenkten, begann sie über die Avis ein Rad zu suchen. Seitdem ist auch sie in dem vor zwei Jahren gegründeten Team dabei. „Mein damaliger Freund und jetziger Schwager Bahns hatte vor zwei Jahren die Idee Fahrrad zu fahren“, erinnert sich Martin Gruber. „Wir können uns jetzt doch keine teuren Räder kaufen, wenn wir dann sowieso wieder vergessen zu fahren“, entgegnete er damals. Es erwuchs ein Team des innersten Freundes- und Familienkreises aus dieser Idee. Inzwischen auf zwei Häuser verteilt kommen zwischenmenschliche Kontakte nicht zu kurz (siehe Grafik). Ganz nach Berti Vogts ist der Star die Mannschaft, selbst wenn kleinste Differenzen bestehen. Denn zwischen der Yuppieclique aus Ottensen (Fischersallee) und den Ethnologen aus Altona (Löfflerstraße) herrscht Uneinigkeit in der Vorbereitung. Während die Löfflerstraße auf Corny zurückgreift, muss es in der Fischersallee schon der teurere Powerbar-Riegel sein. „Außerdem benutzen die in der Fischersalle Gleitcreme“, behauptet Jochen Becker ohne Widerspruch.

In der Teamwertung wollen sie trotzdem weit nach vorne. Die ersten vier FahrerInnen des Teams gehen in die Wertung ein. Selbst dafür haben sich die Sechs dank ausgetüftelter Trainingspläne, Pulsmessverfahren und Ernährungsumstellung professionell vorbereitet. Für Suse Friedemann keineswegs ein Verzicht auf Lebensqualität: „Alle Komponenten bis auf Sex werden beim Radfahren bedient“, sagt sie, „Geschwindigkeit, Technik, Teamgeist und Erfolg“, ergänzt sie.

Möglich gemacht wurde diese „Schnapsidee“ (Martin Gruber) erst durch den langjährigen Fahrradfreund Franz Hansert. Als die Gruppe nach dem Training für ein Eis in seinem Laden „Eisliebe“ vorbeischaute, schlich er um die Räder. Als Bezwinger des legendären Tour De France-Gipfels auf dem Mont Ventoux interessierte er sich für die Clique. Die FahrradfreundInnen kamen schnell zusammen und beschlossen, das Team Eisliebe zu gründen. Professionelle Trikots wurden angeschafft und regelmäßiger Eiskonsum ist ebenfalls gesichert. „Zwei Kugeln Eis sind das ideale Doping“, so Becker dennoch betrübt. Die Lieblingssorte Gianduala ist wegen des hohen Fettgehalts vom Sponsor untersagt worden. Hansert verlangt Leistung für sein Geld: „Wie habe ich die SportlerInnen beneidet, die ihre Runden drehten, während ich Eiskugeln drehte.“ Nun ist es am Team Eisliebe, erfolgreich die Pedalen zu drehen.

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