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Der pikierte „Spätzlesender“

Der mit Andeutungen auf seinen Arbeitgeber gewürzte Kriminalroman des SWR-Moderators Gunter Haug rechtfertigt keine Kündigung, so das Arbeitsgericht Stuttgart – dem Autor geht‘s ums Prinzip

von CHRISTIAN RATH

Die Kündigung des ehemaligen SWR-Moderators Gunter Haug war unzulässig. Dies entschied jetzt das Arbeitsgericht Stuttgart. Haug hatte sich per Kriminalroman abfällig über einen „Spätzlesender“ voll „Filz, Unfähigkeit, Cliquenwirtschaft und Intrigen“ geäußert.

Das aber sei kein Grund für einen fristlosen Rausschmiss, so das Gericht, sondern von der „literarischen Freiheit“ gedeckt. Auf den ersten Blick wirkt Gunter Haug nicht wie ein Fernsehrebell. Braun gebraunt, im sportlichen Poloshirt trat der 46-Jährige am Freitag vor das Stuttgarter Arbeitsgericht. Auch ein 68er ist Haug sicher nicht. Lothar Späth war früher sein Freund und Trauzeuge. Eigentlich gute Bedingungen, um im Sender von SWR-Intendant Peter Voß, einem bekennenden CDU-Mitglied, Karriere zu machen. Doch inzwischen ist Haug dort eine unerwünschte Person, die man unbedingt loswerden will.

Offizieller Anlass ist der Kriminalroman „Höllenfahrt“, den Haug in seiner Freizeit schrieb. Die Hauptfigur, der grantelige Kommissar Horst Meyer, ärgert sich darin (eher am Rande) über einen „als schlafmützig geltenden Fernsehsender in der Landeshauptstadt“, eine Ansammlung von „Fernsehbeamten, die meist durch Beziehungen dort untergebracht worden waren“. In der Krimihandlung taucht außerdem ein Redakteur auf, der seinen Job nur bekam, weil er Sohn des Landespolizeipräsidenten war. Das alles gefiel Haugs Vorgesetzten gar nicht, zumal ein Kollege des Autors tatsächlich Spross eines Stuttgarter Polizeiverantwortlichen war.

Haug wurde fristlos entlassen, denn er habe mit seinem Roman das „Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschädigt“. Die Figur des Kommissars habe Autor Haug nur benutzt, um öffentlich gegen seinen Sender und missliebige Kollegen „hetzen“ zu können. Vor Gericht verteidigte sich der gekündigte Journalist auf zwei Ebenen. Soweit konkrete Personen sich betroffen fühlten, betonte Haug, dass es sich „um einen fiktiven Romanstoff handelt, der nichts aber auch gar nichts, mit tatsächlichen Geschehnissen zu tun hat“. Die eher abstrakten Vorwürfe von Filz und Günstlingswirtschaft seien dagegen allgemein bekannt, beträfen allerdings gar nicht den erst 1998 per Fusion gegründeten SWR. Denn die Handlung spielte 1992, so Haug, und das Manuskript wurde 1997 abgeschlossen. Gemeint sei also offensichtlich der alte Süddeutsche Rundfunk (SDR).

Auf solche Feinheiten kam es vor dem Arbeitsgericht aber gar nicht an. Richterin Margarete Berchthold ließ ausdrücklich offen, ob sich der SWR als Rechtsnachnachfolger des SDR mitbeleidigt fühlen dürfe. Entscheidend sei, dass Haugs Kriminalroman von der „literarischen Freiheit“ geschützt sei. „Die umstrittenen Äußerungen waren zwar ausgesprochen unfreundlich, aber zu einer fristlosen Kündigung durften sie nicht führen“, argumentierte die Richterin.

Zu Beginn der Verhandlung hatte das Gericht noch einmal versucht, Haug und den SWR zu einem Vergleich zu überreden. Bei einem Ende des Arbeitsverhältnisses hätte der SWR demnach 100.000 Euro Abfindung plus 50.000 Euro Gehalt (für die Zeit seit der Kündigung) zahlen müssen. Doch wie beim Gütetermin im Januar lehnte Haug ab: „Wenn ich das Geld nehmen und aufgeben würde, wäre das eine fatale Botschaft“, sagte Haug erregt, „das würde das Klima der Angst und der Verunsicherung im Sender nur verstärken.“

Tatsächlich sieht sich Haug, früher Nachrichtenchef beim Südwestfunk und zuletzt Moderator der volkstümlichen „Abendmelodie“, in der Rolle des Mahners, der offene Diskussionen einfordert und deshalb bei den Oberen unbeliebt sei. Nachgetragen werde ihm außerdem, dass er im Streit aus der CDU ausgetreten sei, nachdem er sich erfolglos um die Intendanz beim SDR beworben hatte.

Trotz des jetzt gewonnenen Prozesses kann Haug vorerst nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren, da noch andere Rechtsstreitigkeiten zwischen ihm und dem Sender anhängig sind. Und vorraussichtlich wird der SWR in die Berufung gehen.

Bis dahin wird Haug weiter kritisch gemeinte Kriminalromane schreiben. So lernt Komissar Meyer im jüngsten Werk „Tauberschwarz“ einen Journalisten kennen, der „aufrechten Hauptes“ einen Spätzlesender verlässt …

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