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Das Bassumer Wasserballett

Die Performancenacht auf dem Künstlerinnenhof „Die Höge“ lockte trotz Dauerregens 300 Fans. Und die kamen nicht vergebens: Mit Improvisation wurde fast das ganze Programm vor dem Absaufen gerettet

„Im Zeichen der Löwin“ kannte der Himmel keine Gnade. Es schüttete wahrlich aus Kübeln auf die als Sommerfest für drinnen und draußen konzipierte internationale Performancenacht auf dem Hof der Künstlerinnenstiftung „Die Höge“.

Vielleicht hätte es die Götter versöhnlich gestimmt, wenn Gabriele Kostas ihre afrikanische Löwentrommel gleich zu Beginn des Abends angeschlagen hätte. So krönte die in Berlin lebende Percussionistin das hochkarätige Kunst-Event zum Abschluss weit nach Mitternacht mit einer Uraufführung auf diesem königlichen Instrument.

Doch weder den Enthusiasmus der Performerinnen noch die Stimmung unter den zahlreich nach Bassum gereisten ZuschauerInnen konnte das Wetter trüben. Nur in einem Fall versagte die Technik ihren Dienst: Victorine Müllers farbenfrohe, schwebende Baumwesen wollten einfach nicht zu Licht und Leben im Dunkel des Buchenwäldchens erwachen. Die japanische Tänzerin Junko Wada trotzte dagegen dem Regen. Ihre für den Hofplatz der Höge konzipierte Choreografie tanzte sie barfuß im nassen Gras, während Makiko Nishikaze ihr reduziertes Spiel am Flügel aus einem angrenzenden Gebäude durch das geöffnete Fenster herüberschickte.

So zart und flüchtig die Tänzerin in ihrem schwarzen, langen Kleid, dekoriert mit üppiger schwarz-roter Schärpe, eingangs auch wirkte, so zäh und widerstandsfähig erwies sich ihr Tanz. Fest drehen sich ihre Füße gegen die Erde, streckt sich ihr Körper, verschrauben sich Arme und Hände. In immer wieder neuen Spiralen lotet sie den unter freiem Himmel schier unbegrenzten Raum aus und schafft mit ihrer konzentrierten Bewegung ein Spannungsfeld aus purer Energie.

Den „Tanz ums eigene Selbst“ präsentierte das Deutsche Tanzfilminstitut in Videoaufzeichnungen von Soloproduktionen, die zu den Klassikern des deutschen Tanztheaters zählen. Dessen Protagonistinnen (hier Reinhild Hoffmann und Susanne Linke) waren bekanntlich zumeist Frauen. Der zeitgenössische Tanz ist bis heute eine Frauendomäne, so brauchte Ulrike Becker, Leiterin der Tanzwerkstatt Berlin und Kuratorin dieses Abends, nicht lange zu suchen, um gerade unter den jungen Choreografinnen spannende Ansätze zu finden, die den Körper neu ins Licht setzen.

Die Berliner Tänzerin Christine Ciupke entwickelt zusammen mit der Fotografin Gisela Dilchert in „rissumriss“ einen Tanz aus Körperlinien und leuchtenden Inseln – ein irritierend schönes Spiel mit der Wahrnehmung. Die gebürtige Argentinierin Constanza Macras setzt mit lakonischem Witz dagegen auf Alltagssituationen, entdeckt das Besondere im Banalen – und lässt neben knackigen Männern und einer athletischen Frau ein Quartett von Seniorinnen steppen.

Bizarre Körperwelten, irgendwo zwischen Tier und Maschine, entwickelt das Duo Trava, die Finnin Heini Nukari und die Polin Anna Jankowska, die demnächst auf der Höge In-Residence arbeiten werden.

Marga Wolff

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