DAS AL-AQSA-VERBOT ZEIGT DIE SCHWÄCHEN DER ANTITERRORGESETZE: Schilys dürftige Interpretation
Die Vorwürfe wiegen schwer: Der Al-Aqsa-Verein in Aachen soll die bewaffnete Hamas mit in Deutschland gesammelten Spenden unterstützt haben. Sollte es Beweise für diese Verbindung geben, ist das Verbot des Vereins richtig. Es wäre unerträglich, wenn von Deutschland aus Selbstmordattentate gegen Zivilisten finanziert würden oder Familien Blutgeld für Selbstmordattentäter erhielten. Gut also, dass Schily dank der Antiterrorgesetze den Verein überhaupt verbieten darf.
Allerdings behaupten bisher nur israelische Sicherheitsdienste, dass von Aachen aus über Saudi-Arabien Geld an den militärischen Arm der Hamas geflossen sei. Innenminister Schily teilte hingegen nur mit, den Angehörigen von „Märtyrern“ seien durch Al-Aqsa Zahlungen zugesagt worden. Nach Interpretation des Innenministeriums sind damit Familien von Selbstmordattentätern gemeint. Das humanitäre Engagement des Vereins sei Tarnung.
Doch noch ist unklar, ob Al-Aqsa unter den Begriff Märtyrer nicht etwa, wie die meisten Palästinenser es tun, alle palästinensischen Opfer der Intifada insgesamt gefasst hat. Ein wichtiger Unterschied: Denn der Fall wirft auch die Frage auf, ab wann man von einer Unterstützung terroristischer Aktivitäten sprechen kann. Auf dieser Idee beruht schließlich das neue Gesetz, auf dessen Grundlage Schily den Verein verboten hat. Wohlgemerkt: In diesem Fall gibt es keinen besonderen Grund, Al-Aqsa zu trauen. Alle Empfängerorganisationen gehören zum sympathisierenden Umfeld der Hamas. Durchaus wahrscheinlich, dass es Querverbindungen zum militärischen, terroristischen Arm gibt.
Was aber, wenn ein Verein von Deutschland aus die Hinterbliebenen eines getöteten Steinewerfers bezuschusst, dessen Beitrag zum Familieneinkommen ausfällt? Sollte er auch verboten werden? Und was, wenn mit Spenden aus Deutschland zerstörte Krankenhäuser in den besetzten Gebieten wieder aufgebaut werden – so wie es auch Al-Aqsa behauptet? Sollte ein Krankenhaus nicht repariert werden dürfen, wenn es nominell von der Hamas betrieben wird? Der Fall Al-Aqsa zeigt auch, dass die Antiterrorgesetze längst nicht jede Grauzone abdecken. YASSIN MUSHARBASH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen