: Die Halbwertzeit der Architektenträume
Im September wird zum achten Mal der „BDA-Preis Bremen“ für vorbildliche Bauten vergeben. Unsere Serie stellt die bisherigen Preisträger vor und beleuchtet damit verschiedene Bauepochen in Bremen. 1982 im Trend: Die Wiederentdeckung regionalistischer und historischer Aspekte (3)
Weddewarden wirkt idyllisch. An diesem optischen Eindruck ändern auch die immer näher an den dörflichen Stadtteil im Norden Bremerhavens heranwachsenden Container-Terminals nichts. In den letzten Jahrzehnten – bevor der Konflikt mit der expandierenden Hafenwirtschaft voll entbrannte – galt der Ort nicht nur als attraktives Ausflugsziel, sondern auch als exklusiver Wohnort für der Großstadt überdrüssige Seestädter. Hier hat der Architekt Peter Weber 1981 eine Reihenhausanlage errichtet, die den BDA-Juroren so gut gefiel, dass sie sie 1982 mit einem Preis bedachten.
Das Bauwerk liegt über dem Straßenniveau auf einer Wurt und wird von einem seitlich zugänglichen „halböffentlichen“ Wohnweg erschlossen. Das mit Hohlpfannen gedeckte Dach ist weit heruntergezogen. Ein durchlaufendes Erkerband überspielt die übliche Betonung der Einzelparzellen bei einer Reihenhauszeile, es dominieren Holz, Ziegelstein und viel Grün.
Die liebevollen Details erinnern an gut gestaltete dänische Ferienhaussiedlungen. Die Jury schwärmte von der „wohltuend schlichten Sprache der Architektur in Material und Konstruktion“. Eine runde Sache also, die voll dem damaligen Leitbild eines der Umgebung angepassten Bauens entsprach, was mit „Kontextualismus“ oder „Regionalismus“ bezeichnet wurde.
Dass der Architekt nur wenige Jahre zuvor als einer der „künstlerischen Leiter“ das in einem zweifelhaften Sinn stadtbildprägende Bremerhavener Columbus-Center vollendet hatte, soll hier nur am Rande erwähnt werden.
Wenn man sich beide Bauten nebeneinander gestellt denkt, den vermeintlichen „städtebaulichen Meilenstein“ und das suburbane Schöner-Wohnen-Idyll, bekommt man eine Ahnung von der Halbwertzeit der Architektenträume. Die relativ dauerhafte Ware Architektur braucht für ihre Durchsetzung offenbar eine Art Frischegarantie, das heißt, sie richtet sich meist unausgesprochen nach dem „aktuellen Trend“.
Manchmal ist die Frischegarantie schon bei Fertigstellung eines Gebäudes abgelaufen. Unübersehbar trendy war Anfang der Achtziger neben dem „Regionalismus“ der liebevolle Umgang mit historischer Bausubstanz. Mit Gebäudesanierungen, An- oder Umbauten – bislang von Architekten eher beiläufig behandelte Bauaufgaben – konnte man plötzlich Prominenz und Preise erringen.
Der Preis für die Sanierung des Rembertistiftes vom Bremer Büro Turk, Richter, Borchers (mit Wolfram Dahms) ist hier zu nennen. Einen solchen „behutsamen Umgang bei der Modernisierung historisch wertvoller Bausubstanz“ hätten sich die BDA-Preisrichter auch „beim Abbruch des Bremischen Schlachthofs“ gewünscht, dessen zum Kulturzentrum Schlachthof umgenutzter Rest (Architekten: Volkhard Meyer-Burg und Karl Tüttelmann) belobigt wurde.
Selbst der einzige 1982 preisgekrönte Neubau auf der grünen Wiese – das von der Hamburger Architektengruppe „me di um“ entworfene Reichsbund Berufsbildungswerk in Uni-Nähe – erinnert in seiner um Höfe gruppierten Anlage trotz moderner Formen an historische Vorbilder. Der Bau scheint vom niederländischen Strukturalismus inspiriert zu sein. Schon Aldo van Eyck, der Kopf der Strukturalisten, plädierte für einen unverkrampften und antinostalgischen Umgang mit historischen Vorbildern.
Eher verkrampft verlief dagegen der Planungsprozess um den Kunsthallenanbau von Werner Düttmann. Wie schon beim Haus der Bürgerschaft ging es auch hier um einen Neubau in äußerst sensibler Lage, an dem die Bremer Öffentlichkeit regen Anteil nahm. Düttmann, eine prägnante Erscheinung der Berliner Nachkriegsarchitektur, der zu dem Kunsthallen-Auftrag 1975 durch ein Gutachterverfahren gekommen war, hatte sich mit der Berliner Akademie der Künste und dem Brücke-Museum als Architekt von Bauten für die Kunst einen Namen gemacht. Andere seiner Bauten mögen eher antimodernistische Ressentiments geweckt haben.
Wichtiger als die Sorge um die richtige Gestalt war jedoch die Frage nach der Lage des Anbaus. Der Entwurf wanderte im Lauf des Planungsprozesses gewissermaßen einmal ums Gebäude, bis man sich darauf einigen konnte: Die geringste Beeinträchtigung der Altbaufassaden und des fließenden Raums der Wallanlagen geschieht mit einer Erweiterung im Osten.
Diese Seite bot aber auch das schwierigste Baugelände. Dass es dem Architekten trotzdem gelang, die neue Baumasse „auf bescheiden-selbstbewusste Weise“ dem Altbau unterzuordnen und im Inneren durch eine bestechende „Lichtführung mit unterschiedlicher, natürlicher Belichtung und wechselnden, reizvollen Ausblicken auf die Wallanlagen“ zu glänzen, wusste die BDA-Jury mit einem Preis zu würdigen. Eberhard Syring
In der nächsten Folge befinden wir uns mit dem BDA-Preis 1986 mitten im Jahrzehnt der postmodernen Architektur. Und erfahren, dass Bremerhaven ein guter Ort für gute Architektur ist, und dass ohne Backstein (fast) nichts mehr geht.
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