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Palästina: Kinder leiden am meisten

Die Lebensverhältnisse im Westjordanland und im Gaza-Streifen haben sich infolge von israelischen Ausgangssperren und Blockaden drastisch verschlechtert. Von der Regierung geplante Erleichterungen wurden nach weiteren Anschlägen ausgesetzt

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Jedes fünfte Kind in den Palästinensergebieten leidet an chronischer oder akuter Unterernährung. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der amerikanischen „Agentur für Internationale Entwicklung“ (AID) und CARE-International in Auftrag gegebene Studie. Infolge der von den israelischen Militärs verhängten Reisesperren sei „über die Hälfte der Bevölkerung gezwungen, mit weniger Nahrungsmitteln als üblich auszukommen“. Die Untersuchung wurde unter anderem von der Al-Kuds-Universität in Ost-Jerusalem vorgenommen. Die Washington Post verglich am Dienstag die Lage der Palästinenser mit Hungersnöten wie in Bangladesch und Somalia.

Seit Ende März verhängte die israelische Armee wiederholt Ausgangssperren über sieben Städte des Westjordanlandes, wo unmittelbar rund 700.000 Menschen leben. Indirekt sind zudem die umliegenden Dörfer von den Ausgangssperren betroffen. Verbindungsstraßen zwischen den Ortschaften wurden entweder gezielt zerstört oder werden von Militärsperren blockiert. Der zwischenstädtische Handel liegt seit Wochen brach. Ebenso können Fabriken oder das Baugewerbe aus Mangel an Material nicht arbeiten, selbst wenn die Ausgangssperren vorübergehend aufgehoben werden.

Grundnahrungsmittel sowie Medikamente liefert Israel regelmäßig in das Westjordanland und den Gaza-Streifen. Auch frisches Gemüse, Obst und sogar Fleisch ist in der Regel vorhanden. Die Bevölkerung, die über Wochen zur Tatenlosigkeit gezwungen wurde, verfügt indes nicht mehr über die notwendige Kaufkraft. Einer jüngst veröffentlichten Untersuchung zufolge sind über die Hälfte der Menschen gezwungen, sich das Geld für die Nahrungsmittel zu borgen. Regelmäßige Gehälter beziehen nur noch die Angestellten der Autonomiebehörde und der Sicherheitsdienste. Die Armutsrate ist, laut Berichten der Weltbank, von 42 Prozent im vergangenen Jahr auf inzwischen knapp 60 Prozent gestiegen, was bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung weniger als zwei Dollar pro Tag zur Verfügung stehen.

Die Studie der Al-Kuds-Universität berichtet über eine Rate akuter Unterernährung von 13 Prozent. Im Westjordanland liegt die Rate bei 4 Prozent. Chronische Unterernährung, die auf eine langfristige Fehlernährung rückschließen lässt, bestehe bei 17,5 Prozent der Kinder im Gaza-Streifen gegenüber 3,5 Prozent im Westjordanland. Das palästinensische Gesundheits- und Informationszentrum HIDPC will aufgrund der beschränkten Arbeitsmöglichkeiten die konkreten Zahlen zwar nicht bestätigen, vermutet aber, dass die Lage im Gaza-Streifen vor allem deshalb dramatischer ist als im Westjordanland, weil die Bevölkerung hier besonders schlimm von der Arbeitslosigkeit betroffen sei. Das HIDPC geht von einer „Rate von über 90 Prozent“ aus.

Aus Sorge vor der sich zuspitzenden humanitären Notlage in den Autonomiegebieten hatte die israelische Regierung jüngst eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die Lebensbedingungen zu erleichtern, darunter die Überweisung von 200 Millionen Schekel (knapp 40 Mio. Euro) eingefrorener Steuergelder an die Autonomiebehörde. Premierminister Ariel Scharon ließ zudem über 10.000 Einreisegenehmigungen für palästinensische Arbeitnehmer ausstellen. Die geplante Aufhebung von Blockaden und Ausgangssperren scheiterte an mehreren erneuten Terrorangriffen. „Niemand kommt mehr rein noch raus“, hatte Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliesar erst diese Woche die erneute Teilung des Gaza-Streifens und die Blockade der Grenzstadt Rafah im südlichen Gaza-Streifen kommentiert.

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