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Einiges zu entdecken

Hochkarätiges neben Altbackenem, Interessantes neben eher Abstrusem: Das achte „Jazz in Hamburg“-Open Air in Planten un Blomen

von GERD BAUDER

Jazz in Hamburg, das ist kein leichtes Unterfangen. Zwar beehren internationale Stars, so sie auf Tour durch die Republik sind, fast immer die Hansestadt. Kleinere Acts und regionale Jazzer haben es jedoch schwer, wahrgenommen zu werden. Denn außer dem Birdland, in dem sich eine halbwegs progressive Szene trifft, und wo weniger bekannte, vornehmlich amerikanische Mainstreamacts gastieren, gibt es eigentlich keinen Jazztreff. Jazz ist in Hamburg wohl Liebhaberei.

So musste das Jazzbüro auch die schöne Reihe „JazzJuice“ im Mojo einstellen. Denn zwar kammen die allmonatlichen Konzerte mit hiesigen Bands gut an, das Ganze rechnete sich gleichwohl nicht, da die Veranstalter die Musiker ehrenwerterweise nicht für lau spielen ließen. Jaja, die schnöden Finanzen mal wieder. Diese sind, dank Sponsoring und Kulturbehördenzuschuss, wenigstens für das ebenfalls vom Jazzbüro veranstaltete Jazz-Open-Air in Planten un Blomen gesichert. So können Jazzfreunde und solche, die es werden wollen, auch dieses Jahr wieder drei Tage lang Jazz gucken und hören gehen. Zu entdecken gibt es so einiges.

Zunächst einmal die Hamburger Bands. Die Eröffnungsveranstaltung am morgigen Freitag auf Kampnagel werden Field bestreiten. Bei deren Live-Vertonung der Stummfilme The Mystery of Leaping Fish und Ménilmontant treffen Kino- und Musik-Avantgarde aufeinander. Ausnahmsweise werden der Filmleihgebühren wegen hierfür sechs Euro Unkostenbeitrag verlangt. In Planten un Blomen spielt Sonnabend und Sonntag dann jeweils ein Newcomer: zum einen Ordalia, die sich an psychedelischem Jazz-Rock versuchen, zum anderen die Sängerin Constance Mattheus, die St. Pauli-Lebensgefühl mit Bossa Nova verknüpft. Die vierte Hamburger Band ist das Trio des Gitarristen Thomas Krakowczyk. Dieses spielt Sonnabendabend zur After Hour gekonnten, klassischen Straight-Ahead-Jazz im Brauhaus Hanseat (Zippelhaus 4).

Neben den Hamburgern sind zu dem kostenlosen Festival acht weitere Acts geladen; eher Mainstreamiges bestimmt das Programm, obgleich der Sonnabend von zwei experimentelleren Bands eröffnet wird: Der Posaunist Christophe Schweizer widmet sich, begleitet von Schlagzeug und Piano, der Auflösung fester (Song-) Strukturen. Spontane Improvisationen stehen neben diffizilen Arrangements. In eine ähnliche Kerbe schlagen danach Man Bites Dog aus Amsterdam. Neue Musik, Jazz, John Zorn‘sche Wut und Lyrik sind einige der Inspirationen, die man diesem Trio – Gitarre, Klarinette und Percussion – anhört.

Große Klasse verspricht am Sonnabend der Auftritt des Pianisten Richie Beirach mit dem Kontrabassisten Detlev Beier. Ihr Duospiel ist virtuos, verliert aber nie den Blick fürs Wesentliche: Kommunikation und flinkes Reagieren auf spontane Ideen ist charakteristisch für ihr Verständnis von US-Mainstream. Zum Abschluss lädt die Violinistin und Sängerin Jana Mishenina zu einer Reise in vergleichsweise esoterische Jazz-Gefilde.

Sonntags gibt es dann neben dem Kalle Kalima Trio aus Berlin, Fritz Fegers Streicher-Ensemble und der Jazzdiseuse Pascal von Wroblewsky den großartigen Nils Wogram zu sehen. Der Kölner Posaunist und Freigeist hat für das „Jazz in Hamburg“-Festival eigens ein Programm komponiert, das er mit Florian Ross (Hammondorgel) und Dejan Terzic (Schlagzeug) präsentiert. Wer Wograms wunderbaren Trombonenton und seine kreative Furchtlosigkeit kennt, darf davon ausgehen, dass dieses Trio wohl einen tollen Gig abliefern dürfte.

Auch wenn das diesjährige Programm also nicht zur Gänze überzeugt, vielleicht auch aufgrund eines schlicht nicht erkennbaren roten Fadens – neben Hochkarätigem und Interessantem gibt es manch Altbackenes und Halbabstruses –, ist doch erfreulich, dass, für ein Wochenende, Jazz in Hamburg lebendig ist.

Auftakt mit Field: Freitag, 21 Uhr, Alabama-Kino (Eintritt 6 Euro); Sonnabend: Pyramid (15 Uhr), Man Bites Dog (16.20 Uhr), Ordalia (17.40 Uhr), Richie Beirach/Detlev Beier (19 Uhr), Jana Mishenina (20.20 Uhr), alles Planten un Blomen; Thomas Krakowczyk Trio, 22 Uhr, Brauhaus Hanseat (Zippelhaus 4); Sonntag: Constance Mattheus (15 Uhr), Kalle-Kalima-Trio (16.20 Uhr), Fritz Feger Trio & Strings (17.40 Uhr), Nils Wogram‘s Nostalgia Trio (19 Uhr), Pascal von Wroblewsky (20.20 Uhr), alles Planten un Blomen, Eintritt frei.

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