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Schaufenster zur Schönheit

Von Kornglaskollektionen bis zum korrekten Waschmaschinenschlauch: Der Handel mit Trödel ist ein Warenkreislauf für sich, in den man jederzeit eintreten kann. Über verschiedene Methoden des Schatzsuchens im Umfeld eines Neuköllner Trödelladens

von MATHIAS ECHTERHAGEN

Sie brauchen einen alten Fön? Oder ein Bügeleisen mit seitlichem Wasserablauf? Kein Problem. Gehen Sie in Zahers Trödelladen, wo die Palette an Sachen, die es nicht gibt, ziemlich unbedeutend ist. Ganz folgerichtig ist da auch „Kein Problem!“ bei der Kundenbedienung ein Lieblingsspruch von Baker, dem Sohn und festen Mitarbeiter des Ladenbesitzers Ali Zaher, der gerade in den Urlaub gefahren ist.

Die Einnahmen durch den Handel mit Trödel reichten so zum Leben, sagt Baker, einschließlich Auto-, Versicherungs- und Urlaubskosten seiner sechsköpfigen Familie, was man gar nicht glauben möchte, vor allem nachts nicht. Dann ist der Laden nämlich als einziger in der Straße hell erleuchtet und kehrt gewissermaßen sein innerstes Wesen nach außen. Vorne im Schaufenster stehen Glasvitrinen, die mit allem Möglichen vollgestellt sind, der mittlere Ladenteil ist ähnlich zugebaut und ganz hinten, wo das Licht schwächer ist, sind noch Umrisse von Möbeln erkennbar. Ruhen wie bei anderen Läden kann der Blick hier nicht – unaufhörlich jagt er von einer Einzelheit zur nächsten und staunt nicht schlecht über die grelle Hervorgehobenheit der Sachen, während gleichzeitig jeder Gegenstand mit allen anderen irgendwie zusammenzuhängen scheint.

Vielleicht deswegen bleiben nachts immer mal Anwohner im ausufernden Lichtkegel der Neonröhren stehen und betrachten das Schaufenster, das allen Regeln verkaufsfördernder Platzierung spottet. Wie ein Marlboro-Aschenbecher einer Korngläserkollektion als Unterlage dient, ein Benzinkanister das Ganze noch einmal von der Seite abstützt, eine Puppe in Rüschenkleid und verklebtem Blick daneben lehnt – das ist irgendwie spannend anzusehen. Ein unendlich variables Sachenplateau.

Aber halt – das ist ein Trödelladen und keine Kunst. Und hier wird eingekauft. Nicht viel an einem heißen Tag wie diesem – meistens schnuppern die Leute bloß ein wenig herum und gehen wieder, ohne etwas gekauft zu haben. Er werde wohl auch heute nicht über den täglichen Mindestumsatz von 50 bis 80 Euro hinauskommen, sagt Baker – wenn nicht noch ein Flohmarkthändler vorbeikomme und wie üblich in etwas größerem Stil einkaufe als die meisten Stammkunden der Gegend.

Baker stellt ein paar Möbel vor den Laden, schiebt zwei kleine Wagen mit Krimskrams hinterher und hängt einen Wintermantel an die Eingangstür. Die Neonlampen sind noch an und glimmen kaum sichtbar vor sich hin. Die Atmosphäre im Laden ist sachlich: Baker wird nach einem Waschmaschinenschlauch gefragt, Baker besorgt einen Waschmaschinenschlauch. Zu einzigartigen Entdeckungen kommt es bei Tageslicht merkwürdigerweise nur selten.

Nachts ist das ganz anders. Kunden sehen im Schaufenster Schätze, die eigentlich sofort gehoben werden müssten. Verzweifelt werden dann Zettel ans Fenster geklebt mit der Bitte, den betreffenden Gegenstand unbedingt zurückzulegen. Das sei dann kein Problem, sagt Baker. Und meistens komme die Person tatsächlich gleich morgens in den Laden und hole den Gegenstand ab.

Mit solcher Kundenfreundlichkeit würde auch Baker jederzeit rechnen wollen, außerdem mache sie den Laden durch Weiterempfehlungen in der ganzen Stadt bekannt. Baker, der es sich inzwischen an seinem Schreibtisch unter einer kleinen Galerie von Wald- und Wiesenbildern bequem gemacht hat, erzählt über freundschaftliche Beziehungen zu anderen Trödelladen der Gegend, über die Arbeit im Allgemeinen, über Funde, Mitarbeiter, Bekannte und Verwandte. Sie alle gehen ein und aus in Zahers Laden, der nur die sichtbare Station eines größeren Berliner Trödelwarenverkehrs ist. Zahers Leute bekommen viele Aufträge von einer großen Berliner Wohnungsbaugesellschaft. Weil sie billiger sind als etwa die BSR, die vierwöchige Wartefristen anberaumt und, wie Baker weiß, auch mal festgenagelte Bilder in den Wohnungen hängen lässt.

Auf Zaher sei dagegen Verlass, das wüssten auch die Auftraggeber, für die Entrümpeln Wegräumen bis auf das letzte Stückchen Holz bedeutet. Zaher hat dafür zwei Lkw zur Verfügung, drei Fahrer, vier Mitarbeiter zum Anpacken, bei hoher Auftragslage wie jetzt – 69 Keller sollen leer geräumt werden – auch bis zu zehn. Der Trödel wird erst mal zum Laden gebracht, unbrauchbarer Plunder gelangt weiter zur Müllkippe. Dort wird gegebenenfalls ein letztes Mal aussortiert, bei Massivholz z. B., und gehandelt.

Zu diesem Zeitpunkt sind die wirklichen Schätze längst gehoben. „Jede Wohnung wirft mindestens ein Gramm Gold ab – wenn wir es nicht finden, tun es andere“, sagt Baker. Bei älteren Verstorbenen seien Socken und Kissen beliebte Geldverstecke. Gelegentlich kämen Broschen, Perlenketten, Wertpapiere und alte wertvolle, auktionierbare Bilder zum Vorschein. Das alles wird in einer Truhe gelagert, bis der Schmuckhändler aus Rudow kommt und den Inhalt gegen Bezahlung mitnimmt.

Der hätte vom sensationellen Fund, den die Leute von Zaher einmal in einer Wohnung gemacht haben, wahrscheinlich nicht zu träumen gewagt. Baker erzählt, wie der Chef den Wagen schon angelassen hat an der Straße, als er und die anderen noch mal hochgegangen sind, um wie ausgemacht die Holzleisten von den Wänden zu reißen. Nach der dritten Leiste ist gleich die ganze Wand weggebrochen. Zum Vorschein kam ein Tresor. Ein kräftiger Tritt, die Tür sprang auf. Drin lag eine Original Rolex mit Brillanten, diverser Schmuck und viel Geld. Eigentlich ein sehr zugängliches Drehbuch.

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