: Blick zurück nach vorn, aber wie?
Grüne fordern Gesamtkonzept für das Olympiagelände bis zur WM 2006. Stadionumbau darf Nutzung und historische Bedeutung des Reichssportfeldes nicht verdrängen. Landessportbund wirft Senat Tatenlosigkeit vor und will Sportpark
Hätte die Runde nicht im Haus des Landessportbundes auf dem Gelände am Olympiastadion getagt, man hätte wirklich beunruhigt sein müssen: Fast in halber Fraktionsstärke, unter Führung von Wolfgang Wieland, Alice Ströver und Oliver Schruoffeneger, waren die grünen Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses am Donnerstag dort aufmarschiert – als ginge es um die Verhinderung eines Atomkraftwerkes auf dem Alexanderplatz. Das Thema der grünen Informationsveranstaltung, die Zukunft des Reichssportfeldes nördlich des Olympiastadions, hätte wohl auch mit einem weniger gewichtigen Fraktionsauftritt gestemmt werden können. Aber es ist Wahlkampf und da heißt es, ganz sportlich, dabei sein ist alles.
Zur Sache. Während derzeit das Olympiastadion für rund 300 Millionen Euro in eine WM-taugliche Fußballarena umgebaut wird, bröckelt das 13 Hektar große Reichssportfeld mit seinen NS-Repräsentationsbauten, Turnhallen, Schwimmbädern und den Freiflächen ohne rechte Zukunft vor sich hin. Mit Blick auf die WM 2006 fordern die Grünen vom Senat endlich die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für das zwischen 1934 und 1936 realisierte Areal.
Man befürchte, sagte Alice Ströver, haushaltspolitische Sprecherin der Partei, dass das Land jeden Cent nur in den Umbau der Arena stecke „und das Interesse am historischen Sportforum vernachlässigt“, obwohl gerade der „sportgeschichtliche Zusammenhang zwischen Stadion und Umfeld“ augenfällig sei. Anfang der 30er-Jahre hatte der Architekt Werner March im Auftrag Hitlers das Gelände geplant, das die Nazis bei den Olympischen Spielen 1936 als Sport- und Weihestätte faschistischer Ideologie missbrauchten.
Zwar habe der Senat, erinnerte der grüne Sportexperte Schruoffeneger, eine Arbeitsgruppe Olympiagelände eingerichtet. Ergebnisse hätten deren Treffen aber nicht gebracht. Umso mehr, sagte Wolfgang Wieland, müsse nun auf die Erarbeitung eines Konzepts gedrängt werden, damit im Zuge der WM 2006 nicht falsche Entscheidungen, wie etwa die Veräußerung von Flächen an private Investoren, gefällt würden. Wieland: „Es ist eine große Chance, in Berlin einen Ort zu haben, wo die Absichten der NS-Zeit verdeutlicht werden können.“ Voraussetzung dafür sei, so Wieland, dass die historische Anlage „als Ganzes und als Stätte des Sports“ bestehen bleibe, „aber kein Museum“ daraus gemacht werden dürfe. Auch sinnvolle Ergänzungsbauten seien nicht auszuschließen.
Manfred Nippe vom Landessportbund (LSB), der mit am Tisch saß, hatte dafür schon klare Vorstellungen: Die sportliche Nutzung durch internationale und nationale Verbände müsse vor den kommerziellen Interessen stehen. „Es darf kein Disneyland für den Event-Tourismus kommen“, sagte Nippe, der dem Senat Mut- und Tatenlosigkeit vorwarf. Die Sportbauten und Spielfelder müssten wieder hergerichtet und erneuert werden.
Dem Anspruch der Grünen nach behutsamer Erneuerung und des LSB nach sportiver Nutzung steht die Realität gegenüber, die Winfried Brenne, Architekt und Gutachter der Bauverwaltung, verdeutlichte. Zwar sei dem Bausenator die „enorme Bedeutung und Qualität“ des Areals bewusst. Dennoch könnten die Eingriffe in die Gebäude durch die britischen Alliierten bis 1991 nicht ungeschehen gemacht werden. Für ein neues „architektonisches Gesamtbild“ könnten Veränderungen nicht ausgeschlossen werden. ROLF LAUTENSCHLÄGER
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