: Bleihaltiger Westen
Eine Studie weist nach, dass der Bleigehalt im Berliner Trinkwasser oft über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation liegt. Schuld sind die Hausbesitzer. Sie wechseln alte Rohre nicht aus.
von DANIEL SCHULZ
Bleifrei tanken geht, bleifrei trinken ist schon schwieriger. Nach einer Studie Göttinger Universitätsmediziner haben über zehn Prozent von 2.100 Berlinern Haushalten mehr Blei im Trinkwasser als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für unbedenklich hält.
„Dabei sind die Alt-Bezirke Zehlendorf, Schöneberg, Charlottenburg, Wilmersdorf, Neukölln und Kreuzberg am meisten belastet“, sagt Björn Zietz, der Leiter der Studie. Der höchste Wert, in Schöneberg gemessen, überstieg den WHO-Grenzwert von 10 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser um das 18-fache. Bleifrei plätschert das Trinkwasser im Alt-Bezirk Treptow, ähnlich ist es in Spandau, Reinickendorf, Hellersdorf, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Die anderen Bezirke trinken im Mittelfeld.
Schuld am schwermetallischen Wasser sind vor allem alte Bleirohre, die bis in die 60er-Jahre hinein verlegt wurden. Häuser im Westteil der Stadt sind davon mehr betroffen, weil Blei in der DDR als Wertstoff galt und als zu wertvoll für Rohre galt. „Die Gefahr durch Blei darf man nicht unterschätzen“, sagt Hermann Fromme, Leiter der Arbeitsgemeinschaft umweltbezogene Gesundheit beim Senat. „Allerdings überschreiten nur etwa 1 Prozent der gemessenen Werte die nach Trinkwasserverordnung zulässige Marke.“ Der gültige Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm pro Liter. Er wird jedoch bis 2013 dem WHO-Richtwert angepasst.
Aus gutem Grund, findet Carmen Schulze vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin: „Man kann bei solch giftigen Schwermetallen nicht genug vorbeugen. Allerdings sollten die Berliner nicht in Panik ausbrechen, das Wasser ist von guter Qualität.“ Tatsächlich: Mit 5 Mikrogramm pro Liter bleiben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) weit unter dem WHO-Grenzwert. „Nicht wir, sondern die Hausbesitzer sind das Problem“, sagt BWB-Sprecher Eike Krüger. „Die Bleirohre liegen meist in den Häusern selbst und an der Grundstücksgrenze hört unsere Zuständigkeit auf.“
Die BWB bieten seit den 80er-Jahren an, alte Leitungen zu ersetzen – für pauschal 506 Euro. „Schönes Sonderprogramm, das wir da haben“, sagt Krüger „nur leider interessiert es die Hausbesitzer nicht. Wir beenden es demnächst.“ Allein von den vor 1945 erbauten Häusern sollen nach Schätzungen der Berliner Sanitär-Innung SHK 20 Prozent noch Bleirohre haben. Rechtlich ist es äußerst schwierig, gegen Blei im Trinkwasser vorzugehen. „Derzeit ist es empfehlenswerter, das Wasser eine Minute laufen zu lassen, als den Vermieter zu belangen“, ärgert sich Hartmann Vetter vom Berliner Mieterverein. Die nächste Aufregung ist übrigens schon vorauszusehen. Zurzeit arbeiten die Göttinger Forscher an einer Studie über Kupfer im Berliner Trinkwasser.
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