: Wenn Gewerkschaften den Multi stören
Weil die Betriebsgewerkschaft der Werksleitung zu aufmüpfig war, schließt Continental eine ganze Reifenfabrik in Nordmexiko. Die Gewerkschafter wehren sich und fordern die Wiedereröffnung – mit wenig Chancen auf Erfolg
MEXIKO-STADT taz ■ Seit fast acht Monaten wird die mexikanische Tochter des Hannoveraner Reifenmultis Continental bestreikt. Allerdings nicht, wie sonst üblich, um die Produktion zu unterbrechen, sondern um sie wieder aufzunehmen: denn die Räder stehen in der Reifenfabrik Euzkadi in Nordmexiko schon seit dem 16. Dezember still – und zwar auf Beschluss der Werksleitung.
„Meinungsunterschiede“ mit der Gewerkschaft hätten die Flexibilisierung der Produktion unmöglich gemacht, rechtfertigt der Konzern die erfolgte Schließung. Die Gewerkschaft hält die Stillegung für „illegal“, da Betriebe nach mexikanischem Recht ihre Tore nur aus wirtschaftlicher Not dichtmachen dürfen.
Seither stehen in der nordmexikanischen Kleinstadt El Salto über 1.000 Arbeiter auf der Straße. Rund 70.000 Menschen in der Region waren von Euzkadi abhängig. Schon seit 1935 wurden hier Reifen produziert, seit Ende 1998 unter deutschen Fittichen. Kurz nach der Übernahme durch Continental begannen die Probleme mit der unabhängigen Betriebsgewerkschaft SNRTE, 18 aktive Mitglieder wurden entlassen, darunter auch der jetzige SNRTE-Generalsekretär Jesús Torres Nuño. „Sie haben von Anfang an versucht, uns gefügig zu machen“, sagt der Gewerkschaftsführer. Firmensprecher José Mendoza sieht das anders: „Die sind immer schon sehr problematisch und radikal gewesen“, so Mendoza zur taz. Das Arbeitsgericht entschied gegen die Firma, die Entlassenen mussten wieder eingestellt werden.
Die Eskalation nahm ihren Lauf. Im Jahr 2000 legte das Management der Arbeitnehmervertretung ein Maßnahmenpaket zur Produktivitätssteigerung vor. Darin wird die Einführung von 12-Stunden-Schichten, Sonntagsarbeit wie auch Sanktionen für unangemessene Kleidung und Benehmen vorgesehen, sowie Anreize für den internen Wettbewerb zwischen den Beschäftigten – einen Bonus sollten danach nicht mehr die Betriebsältesten, sondern die Produktivsten erhalten. Die Gewerkschaft lehnte das Paket als „inakzeptabel“ ab. Alle Verhandlungen verliefen im Sande, bis die Firma Mitte Dezember ohne jede Vorankündigung die Werkstore schließen ließ. Inzwischen ist ein Großteil der Produktion in den Nachbarprovinz San Luis Potosi verlagert worden, wo Continental ein weiteres Werk betreibt. Dort hatte die Arbeitnehmervertretung, die dem staatsnahen Gewerkschaftsverband CTM angehört, die Auflagen ohne Murren akzeptiert.
Für die Firma ist die Sache klar. „Keine menschliche Macht kann uns zwingen, das Werk wieder aufzumachen“, sagt Mendoza kategorisch. Seit Dezember hat Continental die Abfindungen hinterlegt, etwas mehr als gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch haben bis heute 900 Arbeiter ihren Scheck – im Schnitt umgerechnet 20.000 Euro pro Mann – nicht abgeholt. Sie wollen bessere Konditionen erkämpfen: das letzte Angebot der Firma liegt bei 28 Millionen Euro, die SNRTE fordert, als Entschädigung für den Verdienstausfall, mehr als das doppelte. Noch aber haben die Gewerkschafter ihre Hoffnung auf Wiedereinstellung „nicht ganz“ aufgegeben.
Ein letztes Treffen mit Firmenvertretern blieb am Dienstag ohne Ergebnis. Nun hoffen beide Seiten auf das Schiedsgericht. Die Arbeiter sind zuversichtlich. Denn selbst wenn ihr Streik als illegal deklariert wird, müssten sie laut Gesetz binnen 48 Stunden die Arbeit wieder aufnehmen, erklärt Torres Nuño. „Und da hätten wir ja nichts dagegen.“ ANNE HUFFSCHMID
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