: Die Geschäfte des Herrn Alemán
Vier Jahre lang hat Arnoldo Alemán als Präsident Nicaraguas das Land ausgeplündert und sich selbst schamlos bereichert. Jetzt ist ein Verfahren gegen ihn eröffnet worden, aber noch ist Alemán als Parlamentspräsident vor Strafverfolgung geschützt
von RALF LEONHARD
Jetzt wird es doch noch eng für Nicaraguas Expräsidenten Arnoldo Alemán: Am Mittwoch erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den schwergewichtigen Führer der Liberal-Konstitutionalistischen Partei, am Donnerstag eröffnete ein Gericht das Verfahren gegen Alemán und 13 Mitangeklagte. Alemán soll in seiner Regierungszeit von Januar 1997 bis Anfang diesen Jahres bis zu 100 Millionen US-Dollar aus der Staatskasse unterschlagen haben. Und sein Parteikollege und Nachfolger im Präsidentenamt, Enrique Bolaños, forderte diese Woche das Parlament auf, endlich die Immunität Alemáns aufzuheben. Eine Entscheidung steht noch aus.
Sie drängt, denn Alemán spaltet seine Partei, hetzt die Mehrheitsfraktion im Parlament gegen die eigene Regierung auf und verhindert eine dringend erforderliche Einigung mit den internationalen Geldgebern. Als Parlamentspräsident genießt er Immunität vor Strafverfolgung.
Alemán, der vor seiner Wahl zum Bürgermeister von Managua vor zwölf Jahren nur einen auf Pump gekauften Pritschenwagen und eine überschuldete Kaffee-Finca sein Eigen nannte, deklarierte bei seiner Vereidigung zum Präsidenten 1997 eine Million Dollar Vermögen und wird heute auf 250 Millionen Dollar geschätzt. Damit ist er einer der reichsten Männer des Landes.
Schon während seiner Amtszeit als Präsident berichteten die Medien über zahlreiche Skandale: Alemán hatte mit öffentlichen Geldern Straßen zu seinen Liegenschaften asphaltieren und elektrifizieren lassen, dutzende Grundstücke von überschuldeten Bauern billig aufgekauft, bei der Privatisierung von Staatsbetrieben mitgemogelt und seinen Günstlingen Fantasiegehälter zahlen lassen.
Ein Sonderstaatsanwalt musste eingesetzt werden, der den Korruptionsfilz entwirren soll. Denn wie es aussieht, hat Alemán nicht nur hin und wieder kräftig zugelangt, sondern den Haushalt des ärmsten Landes Iberoamerikas systematisch ausgeplündert.
Der Präsident, so der Wissensstand der nicaraguanischen Presse, hatte mindestens 15 staatliche Unternehmen und Institutionen systematisch unterwandert: darunter die Telefongesellschaft, das Elektrizitätswerk, das Wasserwerk, die Flughafengesellschaft, die Versicherungsanstalten, die Zementfabrik und vor allem das Finanzamt.
Die Finanzabteilungen wurden von Alemáns Intimus Byron Jerez kontrolliert. Jerez war Chef des Finanzamtes und besetzte die Abteilungen für Einkauf und Beschaffung der Institutionen mit Vertrauensleuten. Dann wurden Lieferfirmen geschaffen, die von diesen Institutionen für Beschaffungsaufgaben ohne Ausschreibung unter Vertrag genommen wurden. Geliefert wurde zu stark überzogenen Preisen, manchmal auch gar nicht.
Der Beutezug durch die öffentlichen Einrichtungen wurde als Familienunternehmung durchgeführt. Bruder Agustín Alemán war als Rechtsberater der Regierung für die systematische juristische Vertuschung zuständig. Bruder Antonio verfügte im Sozialversicherungsinstitut über eine Kleingeldkassa von wöchentlich über 23.000 Dollar. Etwa ebenso viel ließen sich die Spitzenfunktionäre als Gehalt überweisen. Dazu kamen jede Menge Scheintransaktionen. Da setzte ein regierungsnahes Konsortium eine Million Dollar für den Erwerb einer Mobiltelefonlizenz ein. Obwohl das eigens gegründete Unternehmen keiner ernsthaften Überprüfung standgehalten hätte, bekam es den Zuschlag. Anders als der einzige Mitbewerber, der sofortige Zahlung zusagte, konnte dieses Konsortium allerdings nur einen Teil der versprochenen 8 Millionen tatsächlich einzahlen. Ebenso undurchsichtig ist die Privatisierung der staatlichen Telefongesellschaft Enitel. Ein Anteil von 40 Prozent, der Mitte der 90er-Jahre noch auf 150 Millionen Dollar geschätzt wurde, ging für weniger als die Hälfte an ein honduranisches Konsortium, dem René Morales Carazo angehört – ein Bruder von Alemáns Patenonkel Jaime Morales Carazo.
Als Byron Jerez 1999 dabei ertappt wurde, dass er seine Strandvilla mit Hilfsgeldern für die Opfer des Hurrikan Mitch baute, geriet das System kurzfristig ins Wanken. Alemán konnte seinen wichtigsten Mann zwar nicht mehr als Chef der Steuerbehörde halten, doch blieben strafrechtliche Schritte aus. Jerez hatte dem Rechnungshofspräsidenten gedroht, er würde im Falle einer Untersuchung auspacken und viele Regierungsmitglieder schwer kompromittieren. Er kennt die Namen aller Strohmänner und weiß über die geheimen Bankkonten im Ausland Bescheid.
Alemán hat es verstanden, die liberale Mehrheitsfraktion der nicaraguanischen Nationalversammlung mit seinen Leuten zu besetzen, darunter einem Dutzend Verwandte und anderen Angehörigen. Im Parlament ist Arnoldo Alemán der unumschränkte Herrscher. Erst einige Abgeordnete sind zum „Gegner“, also zum Lager der Regierungstreuen, übergelaufen. Die liberale Mehrheit verhindert nicht nur die Auslieferung ihres Chefs an die Justiz, sie stimmt auch gegen Steuer- und Tariferhöhungen, mit denen Präsident Bolaños den von Alemán geplünderten Haushalt zu sanieren versucht und ohne die keine weitere Hilfe vom IWF ausgezahlt wird.
Politische Beobachter wie der prominente Soziologe Oscar René Vargas rechnen damit, dass es eine Frage von wenigen Monaten ist, bis Alemán an die Justiz ausgeliefert wird. Sein Spezi Byron Jerez wurde schon im April festgenommen, sein in die USA verschobenes Vermögen von über vier Millionen Dollar eingefroren. Die Familie Alemán bekommt keine Visa mehr für die USA. Gegen eine Schwägerin wird wegen dubioser Bankgeschichten ermittelt. Die anfangs so geschlossene Parlamentsfraktion beginnt zu bröckeln. Zuletzt hat sich der Abgeordnete von Chinandega, Eduardo Gómez López, von Alemán losgesagt: „Man darf nicht weiter erlauben, dass die Korruption in Nicaragua um sich greift.“
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