: Ein Wochenmarkt
Der Fußballer, der seine Ware feilbietet, ist nicht gieriger als andere Menschen, meint Exprofi YVES EIGENRAUCH
Wie gierig sind Fußballprofis wirklich? Um zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen, müssten wir definieren, was gierig ist. Nur allzu häufig stellen wir fest, dass dieses vielleicht formell möglich ist, dass aber in der Realität der Bewertung des Begriffs vielmehr eine Verständnisfrage zu Grunde liegt. Bin ich denn gierig, wenn ich versuche, mir mein Auskommen möglichst effektiv zu sichern (wenig Aufwand, viel Ertrag), oder ist dies eher ökonomisch?
Die Überschneidungen zu den Begriffen Moral, unverschämt oder auch (zu) einfach scheinen fließend zu sein. Wie angedeutet, ist es wohl ein Grundsatz der Arbeitnehmer, bei der Gestaltung der Verträge die bestmögliche Vergütung zu erzielen. Alles andere würde als unprofessionell, als naiv oder dumm angesehen. Nach wie vor bestimmt das Angebot die Nachfrage.
Die Gretchenfrage muss gestellt werden. Warum sollte der Spieler auf eine Million Euro mehr pro Jahr verzichten, wenn es Vereine oder Personen gibt, die bereit sind, das zu zahlen? WIR WISSEN, WESHALB! Sollte es nicht mehr möglich sein, dass Zahlungen in dieser Höhe erfolgen, so wird sich der Markt bald von alleine regulieren. Erholen wäre wohl der bessere Begriff.
Nach Jahren der Gewöhnung und Verwöhnung wäre nun ein Umdenken der Spieler erforderlich. Eine angenehme Abwechslung zu dem schönen einfachen Fußballmarkt, der (aus Spielersicht) sehr oft von alleine funktioniert, das heißt, dass Anfragen/Angebote an Spieler ohne eigenes Dazutun gerichtet werden. Keine Bewerbung ist nötig, um Aufmerksamkeit zu erregen. Oder sollte das samstägliche Spiel als Bewerbung gesehen werden dürfen? Dann ist das Training sozusagen das Üben dafür, die Bewerbung richtig schreiben und auch ansprechend präsentieren zu können.
Das Spiel ist doch wie ein Wochenmarkt, auf dem ich meine Waren anpreisen kann. Dort ist auch gute und sehr gute, ebenso wie weniger gute bis gar mindere Qualität zu finden. Natürlich versuchen Menschen auszureizen, wie hoch sie mit dem Preis gehen können. Das ist schade, allerdings eben nicht allein im Fußballsport üblich. Wer kann denn schon von sich behaupten, dass er auf Dinge, die er haben könnte, freiwillig verzichtet? Alle riefen: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Und alle antworteten: „Niemand!“
Lassen Sie mich eines klarstellen: Im Fußball gibt es genauso viele bzw. genauso wenig Menschen, die als gierig einzustufen wären, wie in der übrigen Gesellschaft, auch wenn es als Fußballer ungleich schwieriger ist, bei all den Einflüssen und Schulterklopfern den Überblick zu behalten. Damit meine ich nicht zuletzt auch den Überblick über die eigenen Verhaltensweisen.
Zu Beginn des Textes stellte ich die Frage nach der subjektiven Einschätzung eines jeden, was gierig sei. Wenn ich mehr Geld einnehme, als ich zum Leben benötige, darf ich dann dennoch Fahrtkosten, die ich beispielsweise habe, weil ich zu einem Fanclubtreffen muss, einreichen? Oh Mist, mein Telefon ist defekt. Ruf ich mal eben beim Verein an, die sollen einen Techniker des Hauses schicken (obwohl ich das Gerät beim Sonderangebotsladen mit einem zusätzlichen Rabatt gekauft habe – war sozusagen geschenkt!). Das spart Kosten. Und eines steht ja wohl fest: Die Telefonrechnung im Trainingslager (Spielvorbereitung) ebenso wie die Getränke aus der Minibar gehen ganz klar zu Lasten des Vereins!
Vielleicht ist ja der ein oder andere Vertrag mit einem Stempel versehen, auf dem steht „kostenfrei leben“. Dennoch sei zu bemerken, dass es uns doch recht befremdlich erscheinen muss (bei allem Wohlwollen), die Bestempelung erlaubt zu haben.
Noch einmal, bevor es unterzugehen droht: Wir waren nicht, sind nicht, und werden auch zukünftig nicht gieriger sein als alle übrigen Menschen auch!
Yves Eigenrauch, 31, war noch bis zur vergangenen Saison Fußballprofi beim FC Schalke 04.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen