Drei Seelen im Disco-Trab

Die Musikmacher Ihres Vertrauens: DJ Koze, Erobique und Cozmic DJ wissen gut, was Frauen mögen. Zum International Pony verbündet, galoppiert sich das Trio nun in die Herzen nicht nur der Pop-Kritik

Von JENNI ZYLKA

International Pony wohnt in Hamburg. In einem schmalen Haus irgendwo hinterm Bahnhof, überall Säufer, billige Pizzerien und Rückseiten von schnieken Prunkfassaden. International Pony hat zwei Wohnungen: oben wohnt Cozmic DJ, ein Stockwerk tiefer wohnen DJ Koze und Erobique, irgendwo im Nachbarhaus ist das Studio. Eine Art Selbstfindungs-Männer-WG, nur dass hier nicht nach Beziehungskisten-Reparatursets gesucht wird. Sondern nach dem richtigen Sound. Dem mit dem richtigen Groove und der richtigen Portion Soul. Soul ist ein wichtiges Wort bei International Pony, und es ist auch wichtig, dass es Soul heißt und nur manchmal Seele. Auf „We Love Music“ (Columbia/Sony), der ersten Platte der drei, machen deutsche Seelen internationalen Soul.

Mit der Platte sind sie zufrieden. Na ja, „richtig zufrieden ist man nie“, sagt Koze, den man auch „Cosy“ aussprechen darf, was natürlich gemütlicher als „Kotze“ klingt. (Aber es geht und passt beides.) Cozmic DJ ist allerdings „110-prozentig zufrieden“ mit der Platte. Vielleicht ist er aber auch noch nicht richtig wach. Es ist früher Abend, und Cozmic DJ hat sich ins Wohnzimmer der Rest-Haus-WG auf einen Sessel gelümmelt, neben die anderen beiden, hängt ganz unsoulige besockte Trekking-Sandalenfüße über die Lehne und trinkt Alster gegen den Kater. Er ist zufrieden, weil sie sich auf der ersten Platte haben „einigen können, und zwar beim Gefühl, das ist, was zählt. Wir haben versucht, mit der Musik bestimmte Stimmungen einzufangen“. Wenn man sich „We love music“ anhört – und man sollte die Platte eigentlich immer als Gesamthörspiel nehmen, nicht als Hitsampler oder Best-of-Werk –, merkt man, welche verschiedenen Stimmungen Cozmic DJ meint. In einer Klammer zusammengehalten wird die Platte von einer Art imaginärer Radiosendung: immer wieder meldet sich ein DJ zu Wort und plappert zwischen die Tracks, macht Gags, kloppt Latenight-Radio-DJ-Sprüche, auf Englisch, versteht sich. Internäschonäll eben.

Am Anfang der Platte ist das Pony noch laid back, noch gar nicht aufgeregt, eher in der Stimmung, in der Cozmic DJ auch am Anfang des Interviews ist. Die Lines werden bei „Pony the funk“ so cool durch den Vocoder geschickt, entlang an eleganten Basslinien und perligen Keyboardtunes, vorbei an Bläsern, die einem das Rückgrat runterrollern wie ein Massagehandschuh, dass einem ganz schwummerig wird vor lauter Funkyness. Dann wird das Schwummerigkeitsgefühl in eine softe Dance-Stimmung übergeblendet: die erste Singleauskopplung „Leaving Home“. Im dazugehörigen Videoclip hüpfen Kinder zur Schule, treffen auf Koze, Erobique und Cozmic DJ, die sie kurz mit einer Soul-Schweineorgel-Tanzeinlage irritieren, danach hüpfen die Blagen unbeeindruckt weiter. The beat goes schließlich on.

Westfalen-Wonderkind

„Die Grenze zwischen ekelig und prima ist manchmal ganz dünn. Man muss eben die Magie suchen, die in der Musik steckt“, überlegt Erobique, der kein Norddeutscher wie die anderen ist, sondern vor zwei Jahren aus Münster nach Hamburg zog. Erobique, the Westfalen-Wonderkind. Der Mann spielt Keyboards und Orgeln so, wie es auf dem Klappentext der ersten Issac-Hayes-Platte „Presenting …“ beschrieben wird: „Das ist die Art von intimer, champagnergetränkter Stimmung, die du erwarten würdest, wenn Hayes in deine Wohnung kommt, einen Kerzenhalter auf den Flügel stellt und dich und deinen Liebhaber eine Stunde lang begleitet …“ Nur dass statt Hayes eben Erobique kommt, in Hemd und Anzughose, und statt dem Grand Piano auf dem Rhodes herumklimpert. Zum Weinen schön. Oder auch zum Tanzen funky. Erobique hat außer seinem Musikerleben, ein paar Soloplatten voller Tunes und Melodien, noch eines als Karikaturist. Er zeichnet politische Cartoons für die Westfälischen Nachrichten, Lokalausgabe Greven. Das wie eine schnafte Mischung aus „Wicki“ und „Soul Train“ daherkommende International-Pony-Logo hat er entworfen, das Cover auch. Darauf sitzen drei Kleinkinder an Instrumenten und Geräten, vertieft in den Groove. Erobique sucht das Originalfoto in einer mit Bildern vollgestopften Mappe: „Hier! Eine Freundin von mir als Baby. Das Foto ist super.“ Stimmt, das Foto ist mindestens so rührend wie Erobiques gezeichnete Version, so versunken trällert das Kind mit den Kopfhörern in das 70er-Jahre-Mikrophon.

Aufgewachsen sind alle drei in Discozeiten, Koze und Erobique sind 30, Cozmic DJ kurz darüber. Sozialisiert haben sich Koze und Cozmic aber in den 80ern, mit dicken Jacken und auf dicke Hose, als Rap-HipHop-OldSchool-Street-Fuzzis. Verzeihbare Jugendsünden quasi. Cozmic DJ hat mal mit dem gerappten Text aus einem antiautoritären Kinderbuch versucht, beim NDR zu landen – das erzählt Koze, der sich immer noch darüber kaputtlachen kann. Gewonnen hat den Wettbewerb damals jemand namens „Raptil“, da kann man mal sehen, wie schlimm die Zeiten waren. „Und Koze hat Battle-HipHop gemacht“ erklärt Cozmic DJ. Die beiden haben später zusammen mit zwei weiteren eigenartigen Männern Fischmob gegründet, Hamburgs Thinking Man’s Hiphop-Band, die mit den besten Texten, den abwechslungsreichsten Sounds, leider aber nicht dem größten Erfolg. Fischmob-Musik war zu wenig mitgrölbar für die Charts, „Wir wollen Bass, Bass“, geht eben einer größeren Masse runter. Fischmob waren gleichzeitig zu prollig und zu intellektuell für die landläufige Mega-Hit-Maschine, zu niveaulos und zu niveauvoll. Außerdem hat den Humor nicht jeder verstanden.

Fishmob in the mix

Diesmal, bei International Pony, haben sie es anders angepackt. Jetzt tun sie’s in the mix. Erst einmal kann keiner mehr über die Texte stolpern, denn man singt, wenn überhaupt, ausschließlich Englisch. Mit deutschem Akzent. Koze will „niemanden mehr zutexten, bei Fischmob haben wir uns eigentlich ausgetobt“. Außerdem gehen englische Texte direkt ins Herz, vor allem natürlich, wenn man sie nicht oder nur rudimentär versteht, und bleiben nicht erst im Kopf hängen um all die Peinlichkeits-Inhalts-Diskussions-Tüten aufzureißen, die dort brav warten. Pony-Texte sind zwar einfach zu verstehen, aber sie sind ganz klar nur Teil und Aspekt der Musik: hier geht es darum, wie gesungen wird, nicht was. Darum ist es auch egal, was Pony in dem sich vom edel-kitschigem Piano-Anfang zur verzerrt-krachigen NDW-Punk-Schleuder wandelnden „My Mouth“ mit „my mouth feels like chewing gum“ meint, oder mit „walking that walk with an attitude“, einer Zeile aus dem ganz tief unten in der Disco wohnenden (und entsprechend herauswummernden) „Hangin’ Round 02“.

Außer Disco, Funk, House und Soul, außer den funky horns und den hart an der Grenze zwischen Spaß und Ernst balancierenden Streicherarrangements gibt es Ecken in der Pony-Wohnung, in denen sitzt jemand wie Erykah Badu und zeigt, wie der Jazzhase läuft. Der Nu Jazz-Hase. Das sind eigentlich die erstaunlichsten Ecken der CD, und die internationalsten. An ihnen merkt man am deutlichsten, wie viel Arbeit, gedankliche und praktische, in der CD steckt. „Wir haben kaum Samples“ sagt Cozmic DJ, „wir haben viel mit Skizzen gearbeitet, mit Tausenden von Minidiscs, mit Ideen, die wir erst mal haben liegen lassen.“ Nach einiger Zeit, wenn sie sich in der richtigen Stimmung fühlten, haben sie die Skizzen dann herausgeholt, poliert oder gestreckt oder überdacht oder überarbeitet, und daraus das Klangerlebnis „We Love Music“ gebastelt.

Glücklich beim Groove

Ein Klangerlebnis für alle, vor allem „für Mädchen und Schwule“, sagen Koze und Erobique. „Wir sind soft, uns kann man vertrauen, aber wir können auch zupacken – ist es nicht das, was Frauen wollen?“, fragt Cozmic DJ, die Alster wirken nach und nach. Pony sind „Low-Rider-Musik“, kein Dicke-Eier-Funk, sondern einer, der dich streichelt. Eher Dr. Dre als Public Enemy. Trotzdem könne man Pony auch politisch verstehen, wenn man will, erklärt Cozmic DJ. „Offenheit für alle Stilrichtungen, komplett dogmafrei, das ist doch politisch.“ – „Wir könnten uns einfach als Internationalisten sehen“, Erobique macht das zweite Bier auf. Der Abend wird langsam erwachsen, und das Pony wach.

International Pony könnte mit seinem lässig herausgeschnippten Groove aber wirklich einmal vielen gefallen, und Erobique ist reflektiert genug, sich zu überlegen, was er davon hält. „Eigentlich möchte man seine Visionen ja nur mit Gleichgesinnten teilen, andererseits ist es auch toll, wenn alle deine Vision teilen“. Momentan reiten anscheinend größtenteils Sympathen auf Pony mit. „Richtiges Berühmtsein fängt an, wenn dich auch Leute auf der Straße erkennen, die dich gar nicht gut finden. Bis jetzt erkennen uns nur Leute, die die Musik mögen“, sagt Erobique.

Bis jetzt gab es auch fast nur euphorische Kritiken: Irgendwie scheinen die meisten Kritiker glücklich unter dem Groove zu liegen und sich in der großen, deutschen Swing-your-hips-Blase wohl zu fühlen. Das „Leaving Home“-Video läuft in irgendwelchen Rotationen der Musiksender, und International Pony galoppiert im Zickzack durch die Presse. Es kann eigentlich nur nach vorne losgehen. Andere Acts, die die Chartsplätze besetzen wie die Spanier die Petersilieninsel, grooven schließlich nicht für fünf Pfennig. International Pony grooven für mindestens 100 Euro.