: Minister tritt zurück
Der türkische Wirtschaftsminister Kemal Dervis räumt seinen Posten und will sich nun der Parteipolitik widmen
ISTANBUL taz ■ Nach langem Zögern ist am Samstag der türkische Wirtschaftsminister Kemal Dervis zurückgetreten. Er war in der Regierung für die Umsetzung des Programms des Internationalen Währungsfonds zuständig und galt in Washington als Garant für die seriöse Verwendung der IWF-Kredite. Da der Rücktritt länger erwartet worden war, gehen Beobachter davon aus, dass Dervis’ Entscheidung nicht zu finanziellen Turbulenzen führt.
Premier Bülent Ecevit hat mit Masum Turker, der der DSP angehört, sofort einen neuen Wirtschaftsminister ernannt. Um das Risiko von Panikreaktionen zu minimieren, hatte Dervis dennoch mit seinem Rücktritt bis Samstag gewartet, um der Börse Zeit zu lassen, die neue politische Entwicklung zu verkraften.
Der bislang parteilose Wirtschaftsfachmann hatte bereits mehrfach erklärt, die von Exaußenminister Ismail Cem gegründete Yeni Türkiye (Neue Türkei Partei) unterstützen zu wollen. Dervis’ bisheriges Zögern hatte Yeni Türkiye in der Gunst der öffentlichen Meinung bereits weit zurückgeworfen. Ohne Dervis, so die Auffassung vieler Kommentatoren, ist Yeni Türkiye fünf Prozent weniger wert.
Dervis selbst hatte in den letzten Wochen versucht, seinen Eintritt in die türkische Parteipolitik damit zu verbinden, das linksliberale bis bürgerlich-konservative Lager zu einer stärkeren Zusammenarbeit zu bewegen. Dieser Versuch scheiterte aber nicht nur an dem Platzhirschverhalten amtierender ParteiführerInnen, sondern auch am Parteiengesetz, das Wahlallianzen verbietet. Deshalb wird erwartet, dass der populäre Politiker sich nun einer der vorhandenen Parteien anschließt, um nach den Wahlen die Bildung einer pro-europäischen Regierungskoalition maßgeblich beeinflussen zu können.
JÜRGEN GOTTSCHLICH
meinung SEITE 13
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen