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freigesprochenIllegaler „Phone-Shop“ kostete Telekom 12.000 Euro

Hereinspaziert in’s gute Stübchen

Warum er gestern auf der Anklagebank des Bremer Amtsgerichts saß, wusste der 25-jährige Mohamad M. wahrscheinlich selbst nicht so genau. Sein Bekannter Aude Z. hatte behauptet, mit ihm zusammen im Herbst 1998 die Telekom um rund 12.000 Euro betrogen zu haben.

Die beiden hätten, so Z., unter einem falschen Namen eine Wohnung in der Gröpelinger Liegnitzstraße gemietet und darin illegal ein so genanntes „Telefonstübchen“ zur Vermittlung von Auslandsgesprächen betrieben. Der Anschluss lief ebenfalls unter einem erfundenen Namen – so hätten die beiden ihre Geschäfte machen können, ohne der Telekom Gebühren zu zahlen.

Über einen ISDN-Anschluss verbanden die Betreiber des illegalen Telefonstübchens ihre Kunden, die meist aus dem Libanon anriefen. Mit der digitalen Technik richteten sie dann eine so genannte „Dreierkonferenz“ ein: Der Vermittler schaltet die beiden Gesprächspartner zusammen – und wird dafür gewöhnlich kräftig zur Kasse gebeten. Es sei denn, die Rechnung wird an eine Person geschickt, die überhaupt nicht existiert.

Als dem Netzbetreiber nach 16 Tagen auffällig viele Auslandsgespräche unter dem auf „Salem Ouzal“ angemeldeten Anschluss registrierte, verständigten die Techniker die Polizei. Bei einem Besuch in der „konspirativen“ Wohnung in der Liegnitzstraße traf das Krisenkommando allerdings auf einen Dritten: auf Gawal M., der allein in der Wohnung war und fleißig vermittelte. Der musste sich bislang nicht vor Gericht verantworten, obwohl er der einzige geständige Komplize ist – sein aktueller Wohnsitz ist nicht bekannt.

Über Gawal M. kamen die Ermittler dann zu Aude Z. Der wurde allerdings inzwischen wegen einer schwereren Straftat verurteilt und brauchte daher in Sachen „Telefonstübchen“ nichts zu befürchten. Er trat gestern als Zeuge auf und beschuldigte Mohamad M. Der habe mit ihm zusammen die Wohnung angemietet – an den damaligen Vermieter, gestern als Zeuge geladen, konnte er sich jedoch nicht erinnern. Auch der Vermieter versicherte, beide nie gesehen zu haben.

Mohamad M. beteuerte, mit alledem nichts zu tun zu haben – Aude Z. könne ihn nicht leiden und habe ihn und sich belastet, da er selbst ja nicht erneut bestraft werden könne. Für Freispruch plädierte dann auch die Staatsanwaltschaft. Amtsrichter Hans Ahlers entsprach diesem Wunsch. Wer der Telekom nun die 12.000 Euro schuldet, bleibt unklar. Der auf frischer Tat ertappte Gawal M. ist unbekannt verzogen. Mohamad M. ist aber mit ihm befreundet und will ihn „gleich heute“ darauf ansprechen.

Wie der Fall Mohamad M. sind die meisten Fälle von „Telefonstübchenbetrug“ vier oder fünf Jahre alt. Als es damals eine regelrechte Welle von illegalen Telefonstübchen gab, reagierte die Telekom. Eine Sprecherin: „Unser System meldet jeden sprunghaften Anstieg von Auslandsgesprächen.“

Sebastian Kretz

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