: Sieger ohne Medaillen
Lange bevor die Sportler ihre Vorbereitung für die Olympischen Spiele 2008 aufnehmen, versucht die deutsche Wirtschaft mit der Task Force Beijing 2008, sich ihren Teil am Olympiakuchen zu sichern
von ANDREAS RÜTTENAUER
Wer etwas erreichen will, der gründet eine Task Force. Eine dieser Eingreiftruppen hat sich vor kurzem gebildet, die Task Force Olympia Beijing 2008. Doch es geht nicht darum, eine schlagkräftige Mannschaft für die Olympischen Spiele in China aufzubauen, die weniger Anlass zu Kritik bietet als die viel geschmähte Delegation von Sydney 2000. Die Task Force ist vielmehr eine Lobbyorganisation der Deutschen Wirtschaft, denn für diese hat der Kampf um die ersten deutschen Erfolge in Fernost schon begonnen.
Anfang Juli veranstaltete eine Delegation der Deutschen Wirtschaft in Peking vor Vertretern der Stadtverwaltung sowie des Organisationskomitees der Olympischen Spiele eine kleine Leistungsschau. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller war höchstpersönlich mit dabei, um die in der Task Force zusammengeschlossenen Unternehmen zu unterstützen. In Deutschland wird das Projekt vom Asien-Pazifik-Ausschuss (APA) der Deutschen Wirtschaft begleitet, oftmals in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium. Das liege, sagt Friederike Bosse vom APA, an der engen Verzahnung von Politik und Wirtschaft in einem Land wie China. Das Wirtschaftsministerium spielt dabei den Türöffner für die Industrie, lässt seine politischen Kontakte spielen. Die sozialistische Planwirtschaft, in der politische Verantwortungsträger auch die ökonomischen Entscheidungen treffen, erweist sich so für die deutsche Wirtschaft als Segen.
Die erste Ausschreibungsrunde läuft bereits. Dabei geht es um den Neubau von 19 Sportstätten sowie den Umbau von 14 bestehenden Einrichtungen. Darüber hinaus um eine große Anzahl von Projekten im Infrastruktur- und vor allem im Umweltbereich. Denn wieder einmal hat sich eine Olympiastadt vorgenommen, „Green Olympics“ durchzuführen. „New Beijing Great Olympics“ steht in großen Lettern über den Internetseiten der chinesischen Stadtverwaltung. Und in der Tat scheint es so, als habe man geplant, die ganze Stadt umzubauen. 143 Projekte, die mit dem Um- und Ausbau der Stadt zusammenhängen, sind unter dem Signet von Peking 2008 aufgelistet. Die Investitionssumme ist gleich mit aufgelistet. Allein für den Ausbau des U-Bahn-Netzes sind 2,8 Milliarden Euro eingeplant. Die großen Unternehmen wie Siemens, DaimlerChrysler oder Bayer stehen schon in den Startlöchern.
Es gehören aber auch etliche Mittelständler zur Task Force Beijing 2008. Die Beschallungsfirma Sennheiser beispielsweise, die wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt in China aktiv werden wird. 2006 sollen die Aufträge für den Innenausbau der Sportstätten vergeben werden. Die Kampfgruppen der deutschen Wirtschaft haben also noch einen weiten Weg vor sich.
Bei den Ausschreibungen von Infrastrukturmaßnahmen in Athen, der Olympiastadt von 2004, ist politische Rückendeckung kaum vonnöten gewesen. Dennoch waren die Deutschen in Griechenland äußerst erfolgreich. Eines der größten Projekte, der im vergangenen Jahr eröffnete internationale Flughafen, wurde von der deutschen Firma Hochtief realisiert. Doch der Frankfurter Baukonzern hat den Flughafen nicht nur errichtet, er betreibt ihn auch – gemeinsam mit dem griechischen Staat. Ähnliches ist in Fernost geplant. Viele der Sportstättenprojekte sollen später privatwirtschaftlich arbeiten. Der Staatsanteil soll 20 Prozent nicht überschreiten. Wer also jetzt in China investiert, hat möglicherweise lange etwas davon.
Politische Berührungsängste gibt es bei deutsch-chinesischen Wirtschaftskontakten ohnehin schon lange nicht mehr. Im festen Glauben an die Kräfte des freien Marktes geben sich die Industrieverbände überzeugt, dass mit zunehmendem Wohlstand die persönlichen Freiheiten von allein anwachsen werden. Auf einer Internetseite der Berliner Wirtschaft zur Städtepartnerschaft Berlin/Peking verbindet man „Hoffnung für die weitere Öffnung“ mit Olympia 2008. Viel mehr ist über die Menschenrechtssituation in China in den Publikationen der deutschen Wirtschaft nicht zu erfahren. Seit die Entscheidung für Peking gefallen ist, geht es nur noch um das Gewinnen von Wettbewerben, lange bevor die Sportler ins Olympiastadion einlaufen.
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