: Boxen und Beschwerden
Schon bevor das sanierte Schulterblatt im Schanzenviertel überhaupt eingeweiht wird, beschweren sich Anwohner der Amüsiermeile über nächtlichen Lärm vor ihren Schlafzimmerfenstern
von ANNIKA SEPEUR
Es war doch alles nur gut gemeint: Die breiteren Bürgersteige und die neue Piazza vor der Flora. Jetzt, wo die Bauarbeiten fast abgeschlossen sind, wird das sanierte Schulterblatt im Schanzenviertel am 24. August eingeweiht. Doch schon bevor die offizielle Eröffnung mit einem rauschenden Fest begangen wird, haben Anwohner die nächtlichen Feiern vor ihren Schlafzimmerfenstern satt.
Boxen auf dem Balkon
Die Beschwerden bei der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH (STEG) nehmen zu. Das bestätigte Rüdiger Dohrendorf von der STEG, die auch keine Patentlösungen parat hat. Man müsste den Familien als auch den jungen Bewohnern der Schanze gerecht werden, aber alle Interessen zu berücksichtigen, scheint ein hoffnungloses Unterfangen zu sein. „Natürlich haben die Anwohner ab einer bestimmten Uhrzeit ein Anrecht auf Schlaf“, findet Dohrendorf, der aber auch davon ausgeht, dass man bei „urbanem Wohnen“ keine Ruhe und Beschaulichkeit erwarte.
„Wir fühlen uns als die Buhmänner“, sagte Ommid Jahedi von Mellow Mood, der zwar die Anwohner verstehen kann, nicht aber das Bezirksamt. Das Problem der Lärmbelästigung läge nämlich zwischen Susannenstraße und S-Bahnbrücke und nicht abwärts des Schulterblatts. Dort liegt das Mellow Mood und all die anderen Restaurants, die schon seit langer Zeit bestehen – ohne bisher Probleme mit den Anwohnern zu haben. Es seien mitunter auch die Anwohner selbst, die bei guter Stimmung auf der Straße einfach ihre Boxen auf den Balkon stellten und von oben mitfeierten, erklärt Jahedi.
„Wir stecken in einer Zwickmühle“, meint dazu Bezirksamtssprecherin Sorina Weiland. Alle Betriebe würden jetzt kontrolliert, da Beschwerden nur unkonkret zu Schulterblatt-Abschnitten geäußert würden und nicht zu einzelnen Hausnummern. „Wir sind daran interessiert, dass Tische und Stühle draußen stehen“, bekräftigt sie, doch müssten alle Betriebe die Vorschriften einhalten, „auch wenn sie nicht auffällig geworden sind“.
Maßbandwelten
Dass bei den Kontrollen mit dem Zentimetermaßband vorgegangen würde, kann sich Weiland nicht vorstellen, da „wir uns um größere Dimensionen wie einige Quadratmeter kümmern. Und dass auch nur, weil Leute sich über unpassierbare Gehwege beschweren.“ Doch man munkelt auf dem Schulterblatt, dass selbst einige Zentimeter mehr als die gemieteten Flächen von Bezirksamtsmitarbeitern notiert würden. Das findet auch die Geschäftsführung vom Bedford – besser als „Café ohne Namen“ bekannt – schade. Das Café ist für viele ein Treffpunkt, doch eine gerichtliche Anordnung untersagt ihm das Ausschenken von Getränken nach 22 Uhr. Und so achten zwei Türsteher nun darauf, dass sich alle an der Ecke Susannenstraße daran halten.
Währenddessen verkaufen andere Kneipen weiter: Deshalb würde sich die Bedford-Geschäftsführung wünschen, dass es eine allseits geltende Sonderregelung gebe, die bis 24 Uhr Getränke vor den Türen erlaubt. „Oder hat man irrtümlich etwa geglaubt, dass zu der neuen Piazza keiner kommt?“, fragt sich das gastronomische Schulterblatt.
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