Petitionsausschuss: Von Schweinswalen, Knöllchen und Parkplätzen
Die Anti-Amtsschimmel
Sozialhilfe zu gering? Bauamt schlampig? Unverschämte Politessen? Die Ossis reichten Eingaben ein, wenn sie sich über Honni & Co. beschweren wollten. Davon zehrt der Bundestags-Petitionsausschuss heute noch. 20.000 Beschwerden laufen jedes Jahr ein, immer noch besonders viele aus dem Osten – Tendenz steigend. In Bremen läuft alles ein bisschen kleiner – und feiner – ab. Die Eingaben heißen hier „Petitionen“ – und es werden immer weniger.
Zwischen Anfang 2001 und Juni 2002 leitete der Ausschuss 104 Eingaben an die Bürgerschaft weiter, im vorherigen Berichtszeitraum 122. Bei der Stadtbürgerschaft sank die Zahl sogar von 145 auf 118. „Macht die Verwaltung weniger Fehler – oder sind wir zu wenig bekannt?“, fragte Silke Strietzel, Vorsitzende im Bremer Petitionsausschuss, gestern bei der Vorstellung desTätigkeitsberichtes. Wahrscheinlich Letzteres. Deshalb überlegt man jetzt, zu Ortsbegehungen auch mal die Presse einzuladen.
Ansonsten leitet Strietzel ein diskretes Geschäft. Der Name des „Stammkunden“ aus Bremerhaven, der bereits 60 Petitionen schrieb, bleibt geheim. Nicht aber sein frischestes Anliegen: Umweltstaatsräte bis hin zu Ex-Gesundheitssenatorin Hilde Adolf beschäftigte das Ansinnen des Mannes, der sich für einen „Alarmplan bei einer Wallandung“ einsetzte, weil im Juni vergangenen Jahres ein Schweinswal in Bremerhaven gestrandet war. Ergebnis: „Alarmpläne“ seien nicht erforderlich, weil kaum Säugekolosse in Bremer Gefilden landeten.
Genauso abschlägig beschieden wurde der Petent aus der Forensik des ZKH Bremen Ost, der sich für die Freigabe von Alkohol, Bier und „insbesondere Haschisch“ aussprach. Oder der Vater, der sich darüber beschwerte, dass sein Sohn 117 Knöllchen von Bremer Politessen kassiert hatte.
Selbstverständlich – es gab auch sehr ernste Beschwerden über Amtsschimmelei. So setzten sich die Ausschüssler für von Anwohnern ersehnte Parkplätze in der Kurfürstenallee ein. Wegen eines ungerechtfertigten Zwangsverfahrens aufgrund einer Steuererklärung musste sich der Finanzsenator sogar entschuldigen.
Die umfangreichste Petition, die der Ausschuss seit seiner Einrichtung 1969 zu bearbeiten hatte, wurde im Februar vergangenen Jahres von sechs Bremer Behindertenorganisationen eingereicht – ein Exemplar in Blindenschrift. Das Thema, die Neufassung des Landespflegegesetzes, schlug so hohe Wellen, dass sich 70 weitere Petitionen aus dem Bundesgebiet anschlossen. Das Gesetz trat am 1. Juli 2001 in Kraft. ksc
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen